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Ukraine aktuell: Kiew benötigt “Ressourcen” zur Verteidigung

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ukrainischer Armeechef erwartet Großangriff auf Kiew
  • US-Militär will mehr ukrainische Soldaten ausbilden
  • Moskau: “Patriot”-Lieferung hätte “Konsequenzen”
  • EU beschließt weitere Sanktionen gegen Russland

 

Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj hat vor einem russischen Großangriff auf Kiew Anfang kommenden Jahres gewarnt. “Die Russen stellen neue Truppen von rund 200.000 Soldaten auf. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie nochmal versuchen werden, Kiew zu erobern”, sagte Saluschnyj der britischen Wochenzeitung “Economist”. Deswegen sei es “eine sehr wichtige strategische Aufgabe”, Reserven bereitzuhalten und sich auf den Kampf vorzubereiten – der im Februar oder bestenfalls im März stattfinden könnte, “schlimmstenfalls schon Ende Januar”.

Bei ihrem Angriff auf die Ukraine Ende Februar dieses Jahres hatten die russischen Truppen darauf abgezielt, die Hauptstadt Kiew schnell zu erobern. Sie wurden jedoch einige dutzend Kilometer vor der Stadt aufgehalten und mussten sich Ende März aus der Region zurückziehen. Zuletzt konzentrierten sich die Kämpfe vor allem auf den Osten und den Süden der Ukraine. Nach Ansicht von Saluschnyj wird das nicht so bleiben. Die Russen würden auch deswegen seit Oktober die ukrainische Energie-Infrastruktur bombardieren, weil “sie Zeit brauchen, Ressourcen aufzubauen” für eine großangelegte Offensive in den kommenden Monaten.

Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee sitzt bei Gesprächen an einem Tisch

Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der ukrainischen Armee (Archiv)

Er wisse, dass er “diesen Feind schlagen” könne, versicherte Saluschnyj, “aber ich brauche Ressourcen”. Die ukrainische Armee habe “alle Berechnungen angestellt – wie viele Panzer, Artillerie wir brauchen, und so weiter”, sagte Saluschnyj und führte aus: “Ich brauche 300 Panzer, 600 bis 700 Schützenpanzer, 500 Haubitzen.”

US-Militär will mehr ukrainische Soldaten ausbilden

Die USA weiten ihre Ausbildungsprogramme für ukrainische Soldaten aus. Ein weiteres Programm solle zu Jahresbeginn starten und “ungefähr 500 ukrainische Soldaten pro Monat ausbilden”, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington mit. Unter anderem sollten sie im bestmöglichen Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie geschult werden. Zudem sei geplant, gemeinsame Manöver abzuhalten. Die Übungen werden nach Pentagon-Angaben auf Schulungsplätzen in Deutschland stattfinden.

Moskau: “Patriot”-Lieferung hätte “Konsequenzen”

Russland hat die USA nochmals vor der Lieferung von Luftabwehrwaffen des Typs “Patriot” an die Ukraine gewarnt. Falls sich solche Berichte bestätigten, wäre dies ein “weiterer provokativer Schritt” der Vereinigten Staaten, erklärte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa in Moskau. Die USA würden sich damit immer tiefer in den Konflikt hineinziehen lassen – “mit allen daraus folgenden Konsequenzen.” Sacharowa kündigte zudem an, “Patriot”-Raketen würden von der russischen Armee als prioritäre Ziele ins Visier genommen.

Eine Abschussvorrichtung für Patriot-Raketen zur Raketenabwehr hebt sich schwarz vor einem orangefarbenen Himmel ab

Eine Abschussvorrichtung für “Patriot”-Raketen

Selenskyj: “Sie können unsere Armee nicht besiegen”

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, beim Beschuss der Stadt Cherson eine Helferin in einer Station des Roten Kreuzes getötet zu haben. “Die Frau, die starb, war eine Sanitäterin, eine Freiwillige”, berichtete der Staatschef. Die kürzlich befreite Hafenstadt im Süden der Ukraine sei allein am Donnerstag 16 Mal von russischer Seite beschossen worden, führte er weiter aus. Zudem habe es “brutale russische Angriffe” in den Regionen Donbass und Charkiw gegeben.

“Die Besatzer werfen alles und jeden in die Offensive. Sie können unsere Armee nicht besiegen. Also zerstören sie jede Stadt und jedes Dorf physisch, so dass es keine Gebäude, nicht einmal mehr Mauern gibt, die für irgendeine Art von Verteidigung genutzt werden könnten”, klagte Selenskyj.

EU beschließt weitere Sanktionen gegen Russland

Die Staats- und Regierungschefs der 27 Länder der Europäischen Union haben sich auf ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland verständigt. Außerdem gaben die Teilnehmer des Brüsseler EU-Gipfels weitere Milliardenhilfen für die Ukraine frei.

Die Entscheidung über einen Gaspreisdeckel wurde auf eine Sondersitzung der EU-Energieminister am Montag vertagt. Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte die Hoffnung, dass der Preisdeckel am Ende so hoch ausfallen werde, “dass er niemals relevant wird”. Die Bundesregierung fürchtet andernfalls Versorgungsengpässe.

Olaf Scholz gibt beim EU-Gipfel in Brüssel ein Statement vor Mikrophonen

Gefragter Mann: Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel

Einen ausführlichen Abschlussbericht zum EU-Gipfel in Brüssel finden Sie hier.

Entwicklungsbank hilft ukrainischen Firmen

Die internationale Entwicklungsbank IFC will Unternehmen in der Ukraine mit Hilfen im Volumen von zwei Milliarden Dollar unterstützen. Zunächst liege der Schwerpunkt auf dem Wiederaufbau und Erhalt der kritischen Infrastruktur – etwa durch Finanzmittel für Agrarbetriebe und den Import von Treibstoff, teilte die Bank in Washington mit.

Der ukrainische Privatsektor habe angesichts des Krieges eine “beispiellose Widerstandsfähigkeit” bewiesen, die aber unterstützt und ausgebaut werden müsse, sagte IFC-Direktor Makhtar Diop. “Die Bereitstellung von Kapital in dieser außergewöhnlichen Zeit ist unerlässlich, um Unternehmen und lebenswichtige Dienstleistungen am Laufen zu halten und sich zu gegebener Zeit auf die massiven Wiederaufbaumaßnahmen vorzubereiten, die noch bevorstehen.”

Die International Finance Corporation hat sich als Teil der Weltbankgruppe auf die Förderung privater Unternehmen spezialisiert. Sie bietet verschiedene Finanzierungsprodukte wie Darlehen, Eigenkapitalbeteiligungen, Garantien und Beratung an.

Faeser: Ukrainer bereichern den deutschen Arbeitsmarkt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht in dem hohen Bildungsniveau ukrainischer Flüchtlinge auch eine Chance, den Fachkräftemangel in Deutschland abzumildern. “Das hohe Bildungsniveau und die Bereitschaft, sich schnell einzubringen, mit anzupacken und zu arbeiten, sind sehr erfreuliche Befunde”, sagte die Sozialdemokratin der Funke Mediengruppe mit Blick auf die Ergebnisse einer Umfrage unter ukrainischen Staatsangehörigen hierzulande.

Portraitbild Nancy Faeser, Bundesministerin für Inneres und Heimat

Nancy Faeser, Bundesministerin für Inneres und Heimat

Fast drei Viertel der Geflüchteten verfügten über Hochschulabschlüsse, erläuterte Faeser. Ein Großteil wolle nach dem Krieg in die Ukraine zurückkehren. “Ein Viertel sagt aber auch: Wir können uns gut vorstellen, in Deutschland zu bleiben.”

wa/cw (dpa, afp, rtr, epd, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.