Wenn sich Familienangehörige versammeln, um eine Mahlzeit miteinander zu teilen, ist das Essen selten der wichtigste Teil des Rituals.
„Es kann ein Raum oder eine Zeit sein, um zur Ruhe zu kommen und einander zuzuhören, um Verbindungen herzustellen, um über den eigenen Tag oder das, was in ihrem Leben vor sich geht, zu sprechen“, sagt Anne Brubaker, Dozentin am Wellesley College, die einen Kurs über Essen und Kultur unterrichtet. „Es ist tatsächlich wie eine Art sozialer Klebstoff. Ob es sich nun um Familie, Freunde oder Menschen handelt, die man weniger gut kennt – gemeinsam essen ist eine wichtige Möglichkeit, wie wir Verbindungen herstellen.“
Anne Fishel, klinische Psychologin und Mitbegründerin des Family Dinner Project, sagt, dass ein Großteil der Arbeit, die sie mit Familien in ihrer Praxis durchführt, genauso gut organisch am heimischen Esstisch repliziert werden könnte, wenn Menschen mehr Zeit miteinander am Abendbrottisch verbringen würden. „Wenn Kinder die Chance haben, sich ihren Eltern nahe zu fühlen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Eltern ihnen zuhören, wenn sie die Möglichkeit haben, über ihren Tag oder was auch immer sie beschäftigt, zu sprechen, ist das wie ein Sicherheitsgurt auf der holprigen Straße der Kindheit und Pubertät“, sagt sie. Ein Bericht aus dem Jahr 2012 des National Center on Addiction and Substance Abuse an der Columbia University ergab, dass Jugendliche, die häufig Familienessen haben, wahrscheinlicher angeben, eine hohe Beziehungsqualität zu ihren Eltern zu haben und seltener hohe Stresslevel anzugeben.
Laut dem Pew Research Center bewerten fast 75% der US-Erwachsenen das Verbringen von Zeit mit der Familie als einen der wichtigsten Aspekte ihres Lebens. Und während der Hochphase der COVID-19-Pandemie sagten 85% der Eltern, dass sie häufig gemeinsame Familienessen hatten. Aber jetzt, da Familien zu ihrem normalen, schnelllebigen Alltag zurückgekehrt sind, kann es eine Herausforderung sein, weiterhin gemeinsam zu essen, erst recht in einem größeren Familienverbund.
Experten sprachen mit der TIME darüber, wie Familienessen gelingen kann. Hier ist, was sie sagten:
Seien Sie realistisch in Bezug auf Ihre Terminpläne
Experten empfehlen, das Familienessen in den wöchentlichen oder monatlichen Terminplan aufzunehmen und jeder Person basierend auf ihren Fähigkeiten und Kapazitäten eine Rolle zuzuweisen. Das könnte bedeuten, dass jemand beauftragt wird, vor dem Essen Zutaten zu besorgen, dass Familienmitgliedern verschiedene Beiträge zugewiesen werden oder dass das Essen gemeinsam zubereitet wird, wenn Zeit dafür ist.
Fishel betont, dass ein gemeinsames Essen nicht zwingend das Abendessen beinhalten muss. Es könnte auch ein gemeinsames Frühstück oder ein Snack zur gleichen Zeit sein. Sie sagt, dass manche Familien “geteilte Schicht-Essen” praktizieren. Damit ist gemeint, dass einige Familienmitglieder zunächst zusammen essen und dann einer geht und ein anderer kommt, oder dass jemand nur vorbeikommt, um den Nachtisch zu essen. Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen und voneinander zu lernen, sei es auch nur durch ein kleines Ritual.
Für manche Familien kann Essen auch ein Weg sein, ihre Kultur oder Identität zu verbinden. „Von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, selbst zurückdenkend an frühere Generationen, essen wir Lebensmittel, die unsere Großeltern oder Urgroßeltern aßen“, sagt Fishel. „Es ist eine Art Anker für eine Familie. Es bietet eine gewisse Stabilität, was für Erwachsene ebenso wichtig ist wie für Kinder. Es ist etwas, auf das wir zählen können und das uns daran erinnert, wer wir sind.“
Einen Raum schaffen
Während Esszimmer früher ein wichtiger Marker für Wohlstand und ein Strebenziel für viele Haushalte waren, betonen Experten, dass dies keineswegs Voraussetzung für ein erfolgreiches gemeinsames Essen ist. Fishel empfiehlt Familien, einen Raum zu schaffen, in dem sie einander gegenübersitzen können, sodass sie sich beim Essen ansehen können, aber betont, dass diese Mahlzeiten wirklich überall stattfinden können.
Jede Familie sollte ihre Parameter rund um die Mahlzeit ihren Bedürfnissen anpassen, sagt Brubaker und merkt an, dass Stehen und Essen in der Küche oder Essen auf dem Sofa die Fähigkeit einer Familie, Verbindungen herzustellen, nicht beeinträchtigen muss. „Es gibt Familien mit sehr formalen Erwartungen am Tisch, wie Höflichkeit und Manieren, und andere, die finden, dass es völlig in Ordnung ist, vom Tisch aufzustehen und herumzulaufen und wieder zurückzukommen“, sagt sie. „Es geht letztendlich darum, einen gemeinsamen Raum abzugrenzen, in dem man eine Mahlzeit gemeinsam genießen kann.“
Um das Gespräch in Gang zu bringen, empfehlen Experten, mit strukturierteren Konversationen zu beginnen. Das könnte bedeuten, über Höhen und Tiefen des Tages zu sprechen oder eine Rose und einen Dorn des Tages zu diskutieren. Fishel sagt, dass Familien auch Spiele oder Aktivitäten integrieren können, die beim Kochen oder Essen Spaß machen. Wenn die Mahlzeit in einer stressigen Phase stattfindet, empfiehlt sie Atemübungen oder Essen bei Kerzenschein.
Nutzen Sie die Technologie zu Ihrem Vorteil
Experten sagen, dass Familien auch Technologie nutzen können, um miteinander in Verbindung zu bleiben. Das kann bedeuten, über FaceTime oder Zoom einen Familienangehörigen einzubeziehen, der während der Mahlzeit nicht anwesend ist, ähnlich wie viele Familien dies zu Beginn der Pandemie praktiziert haben.
Wenn man Technik am Tisch zulässt, sollte man jedoch konsistente Regeln für alle Altersgruppen festlegen. Das bedeutet, dass ein Handyverbot sowohl für Eltern als auch für Kinder gelten sollte.
Und es ist in Ordnung, fernzusehen oder einen Film anzusehen. „Wir konzentrieren uns weniger auf das Essen selbst, wenn wir mehr als eine Sache tun“, sagt Brubaker. „[Aber] ich könnte mir vorstellen, dass eine Familie zusammen sitzt und fernsehen oder sich unterhalten, während sie eine Show anschauen und gleichzeitig das Vergnügen haben, gemeinsam zu essen. Das könnte auch eine Möglichkeit sein, sich später durch das Gespräch über die Show und das Essen zu verbinden.“
Achten Sie auf Ihr Budget
Obwohl sich die Inflation abkühlt, wissen Experten, dass selbst kochen für viele Familien kostspielig sein kann. Sie empfehlen Eltern, Speisepläne zu erstellen, um die Kosten im Rahmen zu halten und Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Fishel rät Familien, nach budgetfreundlichen Rezeptvorschlägen im Internet zu suchen. Sie empfiehlt auch, auf Alternativen bei Zutaten zurückzugreifen, etwa tiefgefrorenes Gemüse und Obst oder Hülsenfrüchte und Getreide anstelle von Fleisch zu wählen, um schnell Geld zu sparen.
Und es ist in Ordnung, Abkürzungen zu nehmen. „Reste funktionieren, Lieferessen funktioniert“, sagt Fishel. „Das Geheimrezept eines Familienessens ist wirklich das, was passiert, wenn sie zusammenkommen. Der Genuss der gegenseitigen Gesellschaft, es ist entspannend, man lacht zusammen, man erzählt eine Geschichte. Von selbst gemachtem Essen von Grund auf oder biologischem Essen abzusehen, das ist wirklich der unwichtigste Teil eines Familienessens.“
Das Essen mag der ursprüngliche Verbindungspunkt sein, aber die Geschichten, die am Tisch erzählt werden, und die gemeinsam verbrachte Zeit sind es, was eine Mahlzeit unvergesslich macht.