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Mikroabenteuer: Urlaub in der Nähe

Bei Abenteuern denken viele Europäer vermutlich an ferne Reiseziele, womöglich an schweißtreibende Wanderungen durch dichte, tropische Dschungel oder staubtrockene Wüsten. Doch wer seine Komfortzone verlassen will und eine Herausforderung sucht, muss nicht zwangsläufig weit reisen. Denn nicht selten finden wir natürliche Schönheit und Wildnis direkt vor unserer eigenen Haustür. Im Gegensatz zu zeit- und kostenintensiven Auslandsabenteuern bieten sich sogenannte “Mikroabenteuer” für all jene an, die es etwas unkomplizierter mögen, jedoch nicht auf echten Outdoor-Spaß verzichten wollen. Denn für viele Europäer sind naturbelassene Wälder, Seen oder Flüsse oft nur eine kurze Bus- oder Bahnfahrt entfernt. Andere wiederum haben es nicht weit ins Gebirge oder ans Meer. 

Vermutlich sind Outdoor-Trips ins Umland lange schon bei naturverbundenen Menschen populär, wenngleich nicht als “Mikroabenteuer” bekannt. Doch spätestens 2014 machte das Buch Microadventures: Local Discoveries for Great Escapes des Briten Alastair Humphreys Mikroabenteuer zum Massenphänomen. Darin preist Humphreys Mikroabenteuer als “erschwingliche, unkomplizierte, kurze” Outdoor-Erlebnisse vor der eigenen Haustür, die klassischen Abenteuern in Sachen Herausforderung, Spaß, Eskapismus und Nervenkitzel in Nichts nachstünden.

Wander- und Radweg, der durch den fast mystisch anmutenden Wald zwischen den Ortschaften Am Schwarzen Busch und Gollwitz entlang der nördlichen Osteeküste auf der Insel Poel liegt.

Mystische Landschaften sind nicht immer nur weit entfernt zu finden – hier der Schwarze Busch Wald auf der Insel Poel

Reisebeschränkungen zur Hochzeit der Coronavirus-Pandemie beflügelten das Interesse an Mikroabenteuern in heimischen Gefilden zusätzlich, da viele Staaten die Einreise für Urlauber erschwerten oder vorübergehend aussetzten, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Angesichts der medialen Dauerpräsenz von Corona-Fallzahlen, Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten suchten nicht wenige außerdem etwas Ablenkung in der Natur. Und so überrascht es wenig, dass im Sommer 2022 Suchanfragen nach Mikroabenteuern emporschossen, wie Google Trends zeigt.

Deutsche Wildnis

Die brasilianische Wahl-Saarländerin Bianca Gade ist Naturliebhaberin. Von ihren diversen Wanderungen, Radtouren und anderen Outdoor-Erlebnissen berichtet sie auf ihrem Blog. Das tut sie unter anderem, um zu zeigen, dass es “nicht immer die riesengroße Reise sein muss”, wenn es darum geht, aus dem Alltag “auszubrechen.” Für Gabe sind Mikroabenteuer oft mit einer oder mehreren Übernachtungen verbunden, bestenfalls zeltend in der Natur.

Eine Frau in roter Jacke sitzt auf einer verschneiten Schaukel.

Kalte Temperaturen und Schnee halten Bianca Gade nicht auf

Mikroabenteuer bedürfen nicht zwingend aufwändiger Planung. Manchmal, sagt Gabe, guckt sie sich eine Route entlang einer Bahnstrecke aus, packt ihr Zelt ein und zieht kurzerhand los. “Meistens ist es dann mit einer Übernachtung verbunden, irgendwo im Wald beispielsweise.” Zwar ist Wildcampen in Deutschland verboten, Gade aber nimmt es pragmatisch: “Es gibt Leute, die sagen, wenn ich bei Dämmerung aufbaue und vor Dämmerung wieder abbaue und wirklich alles mitnehme, ist Wildzelten eher unproblematisch.”

Ebenso naturverbunden ist der Berliner Journalist René Wilbrandt. Gemeinsam mit Freunden begibt er sich regelmäßig auf Mikroabenteuer in heimischen Gefilden. Meist nehmen sie sich eine Auszeit von vierundzwanzig Stunden und ziehen los, denn “auch in diesem kleinen Zeitraum kann man recht viel unternehmen, inklusive einer Übernachtung.”

Ein Mann steht im Morgenlicht an einem See im Winter

Rund um Berlin und in Brandenburg gibt es viele Seen zu entdecken

Wilbrandt liebt es minimalistisch. “In den letzten Jahren haben wir eigentlich immer Mikroabenteuer gemacht, bei denen wir nur mit Schlafsack draußen übernachtet haben. Im Sommer bräuchte man nicht einmal einen Schlafsack, denn dann kann man sich einfach so hinlegen.”

Doch bei kälteren Temperaturen ist etwas mehr Vorbereitung ratsam. Vor einigen Wochen wanderte Wilbrandt mit einem Freund durch das winterlich-kalte Südbrandenburg. Nach 15 Kilometern querfeldein durch die Natur erreichten sie einen See und schlugen dort ihr Nachtlager auf. “Dieses Mal hatten wir Schlafsack und Isomatte mit,” erzählt er. Doch angesichts der winterlichen Temperaturen hatten sie auch einen Biwaksack gegen Kälte und Nässe mitgebracht. Wohlweislich, denn nachts schneite es.

Ein beleuchtetes Zelt steht im Sarek Nationalpark, Lappland (Schweden)

In Schweden ist wildcampen erlaubt und lädt zu spontanen Abenteuern ein

Wo übernachten?

Gilt es im Freien zu übernachten, ist etwas Planung nützlich, zumal wenn ein winterliches Mikroabenteuer ansteht. Da in Deutschland, im Gegensatz etwa zu Schweden, Wildcampen höchstens geduldet wird, ist es eine gute Idee, vorab mögliche Zelt- oder Trekkingcamps zu recherchieren.

Letztere bieten oft wenig mehr als einen spartanischen Stellplatz für Zelte, einfache Toiletten und bestenfalls eine Feuerstelle. Dafür befinden sich Trekkingcamps oft in entlegenen Gegenden, etwa tief im Wald, was sie für Mikroabenteuer in der Natur prädestiniert.

Kommt das nächtse Mal also akute Abenteuerlust auf, lohnt ein Blick auf das unmittelbare Um- statt ferne Ausland. Positiver Nebeneffekt: eine solche Reise ist meist kostengünstig und umweltfreundlich.