Deutsche Nachrichtenveranstaltungen finden statt

Ukraine aktuell: “Wir müssen in unserer Hilfe aufs Ganze gehen”

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Heusgen fordert weitere Waffenlieferungen 
  • Ukraine gibt Hinweis auf eigene Verluste
  • Li lobt militärische Kooperation mit Russland
  • Lula will “Friedensgruppe” zusammenstellen

 

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, fordert mehr Anstrengungen des Westens bei der Abwehr des russischen Angriffs auf die Ukraine. In einem Gastbeitrag für den Berliner “Tagesspiegel” (Montag) warnt der frühere Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel, das Verkünden unerschütterlicher Unterstützung allein reiche nicht aus – und die Taten entsprächen noch nicht den Worten. “Das gegenwärtige Niveau schrittweiser und zögerlicher militärischer Unterstützung wird nur ein Patt auf dem Schlachtfeld bewirken.”

Russlands Präsident Wladimir Putin habe alle Aspekte des Kriegs falsch eingeschätzt, als er im vergangenen Jahr die Invasion der Ukraine einleitete, heißt es in dem Text, den Heusgen gemeinsam mit vier ehemaligen sicherheitspolitischen Beratern der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Italiens verfasste. “Er glaubte, seine Armee sei stark, China zu hundert Prozent hinter ihm, die Ukraine schwach und der Westen gespalten. Er hätte sich nicht mehr täuschen können.” Nun sei Putins einzige Hoffnung, “dass seine Entschlossenheit stärker ist als die seiner Gegner und er einen Zermürbungskrieg gewinnen kann. Wir müssen ihm erneut beweisen, dass er falsch liegt!”

Christoph Heusgen, Vorsitzender Münchner Sicherheitskonferenz, im DW-Gespräch

Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz

“Wir müssen in unserer Hilfe für die Ukraine aufs Ganze gehen”, so die Verfasser des Beitrags weiter. Die Unterstützer der Ukraine seien beeindruckende Schritte gegangen, aber jetzt sei nicht der Zeitpunkt für Selbstzufriedenheit. “Wir müssen der Ukraine die Waffen und die Munition liefern, die sie braucht, um Russlands Angriffskrieg zurückzuschlagen.”

Ukraine gibt Hinweis auf eigene Verluste

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hat die ungefähre Höhe der eigenen Verluste seit Beginn des russischen Angriffskriegs beziffert. “Ich kann Ihnen keine genaue Zahl sagen, aber versichern, dass sie niedriger als die Zahl der Toten bei dem Erdbeben in der Türkei ist”, sagte er in einem Interview mit der spanischen Zeitung “La Razón”. Nach türkischen Angaben starben bei dem Erdbeben Anfang Februar im Südosten des Landes mehr als 50.000 Menschen.

In dem vergangene Woche in Madrid geführten Interview äußerte sich Resnikow auch positiv über Deutschland. Auf die Frage, ob er mit der Unterstützung durch die Bundesregierung zufrieden sei, antwortete der Minister: “Um ehrlich zu sein, ja. Es war nicht leicht, sie zu mehr Mut zu überreden, aber wir haben es geschafft.” Die Beweggründe für die anfangs zögerliche Haltung Deutschlands seien verständlich. Nach den Nürnberger Prozessen (gegen führende Vertreter des NS-Regimes) sei Deutschland zu einem pazifistischen Land geworden. Die Deutschen hätten sich geändert. “Das könnte auch in Russland geschehen, wenn es dort ein Nürnberg II gibt und die Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden”, meinte Resnikow.

Li lobt militärische Kooperation mit Russland

Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu hat bei einem Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin die “sehr starken Beziehungen” beider Staaten hervorgehoben. “Sie sind besser als die militärischen und politischen Allianzen aus der Zeit des Kalten Krieges”, sagte Li im Kreml. “In letzter Zeit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Russland und China im militärischen und technischen Bereich sehr gut entwickelt. Sie ist ein Beitrag zur globalen und regionalen Sicherheit”, wurde Li von der russischen Staatsagentur Tass weiter zitiert.

Russian President Putin meets with Russian Defence Minister Shoig

Li Shangfu (l.) im Gespräch mit Kremlchef Wladimir Putin (r.)

Nach dem Bruch mit dem Westen infolge des Ukraine-Kriegs versucht Putin, China als starken Partner zu gewinnen. Die Volksrepublik betrachtet sich als neutral in dem Krieg. Allerdings werfen westliche Staaten der Regierung in Peking vor, stillschweigend die russische Invasion der Ukraine zu unterstützen.

Lula will “Friedensgruppe” zusammenstellen

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio “Lula” da Silva hat vor einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Brasilien erneut eine “Friedensgruppe” ins Spiel gebracht. Er habe seine Initiative auch mit Chinas Präsident Xi Jinping besprochen, sagte Lula. “Ich denke, wir müssen uns an einen Tisch setzen und sagen: ‘Es reicht, lasst uns anfangen zu reden’.” Krieg habe der Menschheit noch nie gutgetan.

Die “Friedensgruppe” solle Länder umfassen, die in keiner Weise in den Krieg involviert seien, erläuterte Lula. Sie müsste sich nicht nur mit Russland und der Ukraine auseinandersetzen, sondern auch mit den USA und der EU. Lula hatte die Vereinigten Staaten und die Europäische Union für ihre Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert.

Yellen: Russland muss für Schaden bezahlen

Russland sollte nach Auffassung von US-Finanzministerin Janet Yellen die finanzielle Verantwortung für die Zerstörung der Ukraine übernehmen. “Ich denke, Russland sollte für den Schaden, den es der Ukraine zugefügt hat, bezahlen”, sagte Yellen im amerikanischen Fernsehen. Auf die von der Ukraine geforderte Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte reagierte sie jedoch zögerlich: “Das ist etwas, was wir mit unseren Partnern diskutieren. Aber Sie wissen, dass es rechtliche Beschränkungen dafür gibt, was wir mit eingefrorenen russischen Vermögenswerten tun können.”

Ukraine, Slowjansk | Zerstörtes Wohngebäude

Zerstörtes Wohngebäude in Slowjansk in der Ostukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Mittwoch während der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank gefordert, das Vermögen der russischen Zentralbank zu konfiszieren. “Russland muss den vollen Preis für seine Aggression spüren”, sagte er per Video zugeschaltet. Die Verbündeten der Ukraine sind bisher hinter diesen Forderungen weitgehend zurückgeblieben. Grund sind rechtliche Bedenken, praktische Hürden und politische Risiken. Russland hatte bei Enteignungen immer wieder mit Gegenmaßnahmen gedroht.

Kremlkritiker erwartet wohl lange Haftstrafe

In Moskau wird an diesem Montag das Urteil im Prozess gegen den wegen Hochverrats angeklagten Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa erwartet. Dem 41-jährigen Kremlkritiker drohen 25 Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte dieses Strafmaß wegen “Hochverrats”, Verbreitung von “Falschinformationen” über die russische Armee und die illegale Arbeit für eine “unerwünschte” Organisation gefordert.

Noch vergangene Woche hatte Kara-Mursa erklärt, trotz der ihm drohenden langen Haftstrafe bereue er keine seiner Äußerungen. Er werfe sich selbst allerdings vor, dass es ihm nicht gelungen sei, genügend Landsleute und Politiker in demokratischen Ländern von der Gefahr überzeugt zu haben, welche die gegenwärtige Kremlführung für Russland und die Welt darstelle.

wa/ack (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen