Das Wichtigste in Kürze:
- Selenskyj ist dankbar für deutsche Unterstützung
- Bombardements und Evakuierungen gehen weiter
- Ramsan Kadyrow droht mit neuer Offensive auf Kiew
- Weltbank: Wirtschaftseinbruch bis zu 75 Prozent möglich
Nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine positive Änderung der deutschen Position gegenüber Kiew. “Ich habe heute mit Bundeskanzler Olaf Scholz darüber gesprochen, wie man alle Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen kann. Und darüber, wie man die Sanktionen gegen Russland verschärft und Moskau dazu bringt, Friedensverhandlungen zu führen”, sagte Selenskyj in seiner nächtlichen Videoansprache.
Er stelle fest, “dass sich die Position Deutschlands in letzter Zeit zugunsten der Ukraine ändert. Und ich halte das für absolut logisch, da eine Mehrheit der Deutschen diese Politik unterstützt. Ich bin ihnen dankbar. Und ich erwarte, dass alles, was wir vereinbart haben, umgesetzt wird.”
Deutschland, das in der Anfangsphase der russischen Invasion zögerte, der Ukraine Waffen zu liefern, hat nun zugestimmt, Panzerabwehrwaffen und Raketen zu liefern. Scholz hatte bereits am Freitag erklärt, dass Deutschland die russischen Ölimporte in diesem Jahr beenden könnte. Ein Gasimport-Stopp wäre schwieriger, da das Land erst Möglichkeiten schaffen müsste, um die Gaslieferungen aus Russland zu kompensieren.
Angriffe und Drohungen
In den Städten Charkiw im Nordosten der Ukraine und Mykolajiw an der südwestlichen Schwarzmeerküste sind örtlichen Medienberichten zufolge schwere Explosionen zu hören. “Die russische Armee führt weiterhin einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, weil es an der Front keine Siege gibt”, schrieb Regionalgouverneur Oleg Synegubow am Sonntagabend auf Telegram. Am Wochenende waren demnach bei Bombenangriffen in der Region zwölf Zivilisten getötet worden.
Charkiw ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Ukraine und liegt nur rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Bereits seit Anfang der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar ist die Stadt heftig umkämpft, wurde jedoch bislang nicht von den russischen Truppen eingenommen.

Einwohner in Charkiw suchen in Kellern Schutz vor den russischen Angriffen
Unterdessen droht der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow, dessen Truppen für Russland in der Ukraine kämpfen, mit weiteren Offensiven. Dabei gehe es nicht nur um die belagerte Stadt Mariupol, sondern auch um weitere Städte, darunter auch Kiew, so Kadyrow in einem Video, das auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht wurde. Erst werde man Luhansk und Donezk “vollständig befreien”, danach Kiew und alle anderen Städte einnehmen.
Nach Angaben der Ukraine sind aus Städten des Landes am Sonntag 2824 Menschen durch humanitäre Korridore in Sicherheit gebracht worden. Darunter seien 213 Einwohner der von russischen Truppen belagerten Stadt Mariupol gewesen, teilte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk mit.
Düstere Wirtschaftsaussichten
Die Weltbank hat mit dem Fortschreiten des russischen Angriffskriegs ihre Wirtschaftsprognose für die Ukraine deutlich nach unten korrigiert. Die Ökonomen sagten am Sonntag voraus, dass das ukrainische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 45,1 Prozent einbrechen werde – nachdem sie vor einem Monat noch von einem Minus zwischen zehn und 35 Prozent ausgegangen war. Die Wirtschaft des mit internationalen Sanktionen belegten Russland werde um 11,2 Prozent schrumpfen.

Zerstörtes Wärmekraftwerk in der Region Sumy
Die Prognosen der Bank gingen davon aus, dass der Krieg noch einige Monate andauern wird. Im Falle einer deutlichen Eskalation könnte die Wirtschaft der Ukraine gar um 75 Prozent, die Russlands um 20 Prozent einbrechen.
Durch den Krieg wird sich der Weltbank zufolge auch die Armut in der Ukraine vervielfachen. Der Anteil der Bevölkerung, der mit 5,50 Dollar (5,05 Euro) pro Tag auskommen muss, wird nach Angaben der Weltbank in diesem Jahr auf 19,8 Prozent steigen, während es 2021 nur 1,8 Prozent waren.
Putin juristisch zur Verantwortung ziehen
Die ehemalige UN-Chefanklägerin Carla Del Ponte hat ihre Forderung nach einem internationalen Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin bekräftigt. Putin könne zwar erst vor den Internationalen Strafgerichtshof gestellt werden, wenn er nicht mehr im Amt sei, doch die Justiz habe Geduld, sagte sie am Rande einer Literaturveranstaltung in der Schweiz. “Es gibt keine Verjährung für diese Verbrechen. Und Putin wird nicht ewig Präsident bleiben”, sagte sie.
Die Schweizer Juristin Del Ponte war Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda. Nun sei es wichtig, Beweise für Kriegsverbrechen in der Ukraine zu sammeln, sagte Del Ponte.
fab/ack (dpa, afp, rtr, ape)
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