Das Wichtigste in Kürze:
- Hochrangige Mitarbeiter im Sicherheitsapparat gefeuert
- Journalistin Owsjannikowa vorübergehend festgenommen
- EU-Kommissionspräsidentin reist nach Aserbaidschan
- Bundesregierung befürchtet laut Medien Notlage beim Erdgas
Als Reaktion auf Verrat im ukrainischen Sicherheitsapparat hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Chefs von Geheimdienst und Generalstaatsanwaltschaft abgesetzt. Aus diesen Behörden seien mehr als 60 Mitarbeiter in den russisch besetzten Gebieten geblieben und kollaborierten mit dem Feind, sagte Selenskyj in seiner jüngsten Videoansprache. Das Präsidialamt in Kiew veröffentlichte Erlasse, mit denen der Leiter des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, und Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa ihrer Ämter enthoben wurden.
Die ersten Personalwechsel
Die Ukraine wehrt sich seit Februar gegen den russischen Angriffskrieg. Selenskyj hat in dieser Zeit so gut wie keine Personalwechsel vorgenommen, griff nun aber energisch durch. Er nannte Zahlen zu den Überläufern: Es gebe 651 Strafverfahren gegen Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft und anderen Strafverfolgungsbehörden wegen Hochverrats und Kollaboration mit russischen Diensten. In 198 Fällen seien Betroffene informiert worden, dass sie unter Verdacht stehen.
Diese “Reihe von Verbrechen gegen die Grundlagen der nationalen Sicherheit” und die Kollaboration mit Russland werfe ernsthafte Fragen an die Behördenleiter auf, sagte der Präsident. Er bestätigte, dass ein ranghoher SBU-Mitarbeiter festgenommen worden sei, der früher für die Schwarzmeer-Halbinsel Krim zuständig war.
Der jetzt als Chef des SBU-Geheimdienstes entlassene Bakanow (47) ist ein enger Weggefährte Selenskyjs aus dessen Zeiten als Fernsehkomiker, er leitete den Geheimdienst seit 2019. Für ihn wurde kein Nachfolger genannt. Die Generalstaatsanwaltschaft soll vorübergehend von Oleksij Simonenko geleitet werden. Selenskyj kündigte Personalfindungsprozesse für die Schlüsselposten an.
Marina Owsjannikowa im Polizeirevier
Nach einer zweiten Protestaktion gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine ist die Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa vorübergehend festgenommen worden. Auf ihrem Telegram-Kanal wurden Fotos gepostet, die zeigen, wie sie von Polizisten abgeführt wird. Auch das Bürgerrechtsportal “OVD-Info” in Moskau und die Organisation Cinema for Peace in Deutschland berichteten über die Festnahme. In der Nacht zum Montag meldete “OVD-Info” allerdings unter Berufung auf den Anwalt Dmitri Sachwatow, die TV-Journalistin sei wieder frei.

Marina Ovsyannikova: Engagierte Journalistin und Kriegsgegnerin
Die frühere Mitarbeiterin des russischen Ersten Kanals war vorübergehend in das Krasnoselski-Polizeirevier in Moskau gebracht worden. Owsjannikowa hatte Fotos gepostet, wie sie mit einem Protestplakat in Sichtweite des Kremls steht. “Putin ist ein Mörder”, stand auf dem Plakat und: “Seine Soldaten sind Faschisten.”
Beratungen über neues Sanktionspaket
Die Außenminister der EU-Staaten beraten an diesem Montag in Brüssel über die Vorschläge der Europäischen Kommission für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen. Wenn es keine Einwände gibt, soll bereits am Mittwoch das schriftliche Beschlussverfahren eingeleitet werden.
Die Strafmaßnahmen könnten so noch diese Woche in Kraft treten. Die Pläne umfassen nach Angaben der Kommission unter anderem ein Einfuhrverbot für russisches Gold.
Auf dem Weg nach Aserbaidschan
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist kurzfristig nach Aserbaidschan, um sich dort um zusätzliche Erdgaslieferungen zu bemühen. Von der Leyen und EU-Energiekommissar Kadri Simson seien dazu am Montag in Baku, twittert die Kommission.

Kann die EU mehr Erdgas aus Aserbaidschan beziehen? Kommissionspräsidentin von der Leyen prüft das
Laut einem Dokumentenentwurf, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte, hat die Kommission den EU-Ländern ein Abkommen mit Aserbaidschan vorgeschlagen, um Erdgasimporte zu erhöhen und den Ausbau einer entsprechenden Pipeline dafür zu unterstützen.
Regierung rechnet mit neuer Drosselung
Die Bundesregierung rechnet laut einem Bericht der “Bild”-Zeitung mit einer Notlage bei der Gasversorgung in einzelnen Bundesländern. Demnach habe Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) den Chefs der Staatskanzleien der Länder in einer Schaltkonferenz mitgeteilt, dass die Bundesregierung nach den Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 von einer erneuten Drosselung der Gaslieferungen durch Russland unter Anführung von Vorwänden ausgehe.
Falls Russland wieder über 40 Prozent der vereinbarten Erdgas-Menge nach Deutschland liefern sollte, käme Deutschland aus Sicht der Bundesregierung laut dem Bericht ohne Notlagen durch den Winter. Das betrachte die Regierung aber als unrealistisch. Sie gehe zudem davon aus, dass Deutschland auch im Winter 2023/24 noch von russischem Gas abhängig sein werde, heißt es in dem “Bild”-Bericht – und dass die Gaspreise um das Doppelte bis Dreifache steigen würden.
Dem Bericht zufolge soll eine Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz einberufen werden, falls Russland seine Gaslieferungen nach den Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 nicht wieder aufnimmt.
Fridays for Future meldet sich zu Wort
Vor dem Beginn des Petersberger Klimadialogs warnt die Umweltschutzbewegung Fridays for Future vor einer Vernachlässigung des Klimawandels wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.

Fridays-for-Future-Sprecherin Linda Kastrup
“Diese Krisen werden konstant gegeneinander ausgespielt”, sagte Linda Kastrup, Sprecherin der Klimaaktivisten, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. “Dabei wird jedoch vergessen, wie eng alle diese Katastrophen miteinander vernetzt sind und wie nah beieinander die Lösungen liegen.”
haz/ack (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.