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Ukraine aktuell: Scholz will vorerst nicht nach Kiew reisen

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundeskanzler Scholz will vorerst nicht nach Kiew reisen
  • Lawrow sorgt mit Hitler-Aussage für Empörung
  • Probleme bei der Rettung von Zivilisten in Mariupol
  • Kiew will deutsche “Führungsrolle in Europa”
  • Bundestags-Gutachten sieht Ausbildung an westlichen Waffen kritisch

 

Bundeskanzler Olaf Scholz will wegen der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die ukrainische Seite vorerst nicht in die Hauptstadt Kiew reisen. “Das steht der Sache im Weg”, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung “Was nun?”. Es sei “ein ganz bemerkenswerter Vorgang” gewesen, den gerade mit großer Mehrheit wiedergewählten Bundespräsidenten auszuladen.

Scholz fügte hinzu: “Es kann nicht funktionieren, dass man von einem Land, das so viel militärische Hilfe leistet, so viel finanzielle Hilfe leistet, das gebraucht wird, wenn es um die Sicherheitsgarantien geht, die für die Zeit der Ukraine in der Zukunft wichtig sind, dass man dann sagt: Der Präsident darf aber nicht kommen.”

Der geplante Besuch von Steinmeier war Mitte April geplatzt, weil die ukrainische Seite ihn nicht empfangen wollte. Der Präsident wollte zusammen mit den Staatschefs von Polen, Lettland, Estland und Litauen nach Kiew fahren, die schließlich ohne ihn aufbrachen. Steinmeier steht in der Ukraine wegen seiner früherer Russland-Politik als damaliger Außenminister in der Kritik. Inzwischen hat er Fehler in der Bewertung von Kreml-Chef Wladimir Putin und in seiner Einschätzung der Pipeline Nord Stream 2 eingeräumt.

Deutschland | Friedrich Merz im Bundestag

Ist auch Chef der Unionsfraktion im Bundestag: der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz (Archivbild)

Merz: Nicht um BKA-Begleitung gebeten

Zu einer geplanten Kiew-Reise von CDU-Chef Friedrich Merz sagte Scholz, dieser habe ihn über seine Pläne informiert. “Ich habe da keine Einwendungen.” Merz hatte zuvor erklärt, er fahre auf Einladung des ukrainischen Parlaments nach Kiew. Er habe eine ausführliche Unterrichtung der Bundesregierung in Anspruch genommen, aber das Bundeskriminalamt (BKA) zu seiner Sicherheit nicht um eine Begleitung gebeten. “Und es hat auch ein entsprechendes Angebot des BKA nicht gegeben”, so Merz.

Der “Tagesspiegel” hatte berichtet, das BKA habe dem Oppositionsführer geraten, seinen Besuch in der Ukraine zu verschieben. Hintergrund sei die dortige Sicherheitslage. Während des Besuchs von UN-Generalsekretär António Guterres in der vergangenen Woche war Kiew mit Raketen angegriffen worden.

Lawrow: “Hitler hatte auch jüdisches Blut”

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat mit einer Aussage zu Adolf Hitler international für Empörung gesorgt. Der israelische Regierungschef Naftali Bennett erklärte, es sei “das Ziel solcher Lügen, den Juden selbst die Schuld an den schlimmsten Verbrechen der Geschichte zu geben, die gegen sie verübt wurden”.

Sergej Lawrow

Sergej Lawrow (vergangene Woche in Moskau)

Lawrow hatte am Sonntag im italienischen Fernsehsender Rete 4 erneut behauptet, in der ukrainischen Regierung gebe es Neonazis. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe die Frage aufgeworfen, “welche Art von Nazismus” in der Ukraine vorherrschen könne angesichts der Tatsache, “dass er selbst jüdisch ist”, sagte Lawrow. Dann fügte er hinzu: “Ich könnte mich irren, aber Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.”

Israel bestellt russischen Botschafter ein

Die Regierung in Jerusalem verlangte daraufhin eine Entschuldigung. Das Außenministerium bestellte den russischen Botschafter Anatoli Wiktorow zum Gespräch ein. “Kein Krieg der Gegenwart ist wie der Holocaust oder mit dem Holocaust vergleichbar”, sagte Bennett. “Der Missbrauch der Schoah des jüdischen Volkes als Instrument der politischen Auseinandersetzung muss sofort aufhören.” Israel hat traditionell sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehungen. Bennett sprach seit Beginn des Krieges mehrfach sowohl mit Putin als auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Im März hatte er Putin persönlich in Moskau getroffen.

Naftali Bennett

“Kein Krieg der Gegenwart ist mit dem Holocaust vergleichbar”: Israels Regierungschef Naftali Bennett (Archivbild)

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Lawrow verhöhne die Opfer des Nationalsozialismus “auf nicht hinnehmbare Weise” und konfrontiere “nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern die gesamte internationale Öffentlichkeit schamlos mit offenem Antisemitismus”.

Der Leiter der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dajan, nannte die Äußerungen “absurd, wahnhaft, gefährlich und verachtenswert”. Bundesinnenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Einlassungen des Ministers als “unerträglich”. Dessen Worte seien auch “ein Schlag ins Gesicht aller Jüdinnen und Juden in Deutschland”.

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Lawrow: “Hitler hatte auch jüdisches Blut”

In dem Interview machte Lawrow zugleich deutlich, sein Land werde den Militäreinsatz in der Ukraine nicht bis zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland am 9. Mai beenden. “Unser Militär wird seine Handlungen nicht künstlich an irgendeinem Datum ausrichten”, so der Minister. “Das Tempo des Einsatzes in der Ukraine hängt in erster Linie von der Notwendigkeit ab, die Risiken für die Zivilbevölkerung und die russischen Militärangehörigen zu minimieren.” Russland feiert das Ende des Zweiten Weltkriegs traditionell am 9. Mai mit einer Militärparade und einer Rede von Kreml-Chef Wladimir Putin auf dem Roten Platz in Moskau.

Wieder Probleme bei der Rettung von Zivilisten

Unterdessen gehen die Versuche weiter, Zivilisten aus der Hafenstadt Mariupol zu bringen. Mehrere ukrainische Vertreter berichteten von Schwierigkeiten. Nach Angaben des Stadtrats erreichten Busse nicht den vereinbarten Abholpunkt. Der Grund dafür ist unklar.

Am Sonntag hatten etliche Zivilisten das mehrfach angegriffene Asow-Stahlwerk in Mariupol verlassen können. Der ukrainische Präsident sprach von einer “ersten Gruppe von etwa 100 Menschen”, die in Sicherheit gebracht worden sei. An der Aktion beteiligt sind auch die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Er hoffe, dass an diesem Montag “alle notwendigen Bedingungen” erfüllt würden, um weiterhin Menschen aus Mariupol zu retten, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft.

Das Verteidigungsministerium in Moskau gab in seiner Darstellung der Ereignisse bekannt, “dank der Initiative des russischen Präsidenten Wladimir Putin” seien 80 Zivilisten, die auf dem Werksgelände “von ukrainischen Nationalisten festgehalten” worden seien, am Sonntag in das unter russischer Kontrolle stehende Dorf Besimenne in der Region Donezk gebracht worden. Dort hätten die Menschen Verpflegung und medizinische Versorgung erhalten. Zivilisten, “die in die vom Kiewer Regime kontrollierten Gebiete wollten, wurden an Vertreter der UN und des IKRK übergeben”, so das Ministerium.

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Evakuierungen in Mariupol

Das elf Quadratkilometer große Gelände des Stahlwerks ist heftig umkämpft. Es ist die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands im durch russische Angriffe weitgehend zerstörten Mariupol. In dem Komplex mit weitläufigen unterirdischen Tunnelanlagen sollen noch Hunderte ukrainische Soldaten und Zivilisten unter katastrophalen Bedingungen ausharren.

Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol gilt als strategisch äußerst wichtig. Erklärtes Ziel Russlands im Ukraine-Krieg ist die Herstellung einer Landverbindung zur annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sowie zu der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Region Transnistrien in der Republik Moldau.

Tote in Odessa, Charkiw und Donezk

Bei einem Raketenangriff auf die Hafenstadt Odessa im Südwesten der Ukraine sind nach Angaben des Gouverneurs Maksym Martschenko mehrere Menschen getötet worden. Es habe auch Verletzte gegeben, teilte er auf Telegram mit. Der Sender Suspilne berichtete unter Berufung auf das Militär, eine Kirche sei getroffen worden.

Auch die Eisenbahn- und Straßenbrücke über die Dnister-Mündung bei Odessa war Ziel neuer Angriffe. Sie war bereits vergangene Woche beschädigt worden. Bei einer Zerstörung wäre der südwestliche Teil des an Rumänien und Moldau grenzenden Gebiets Odessa aus dem ukrainischen Kernland nur noch über eine Straße durch Moldau erreichbar.

In den östlichen Gebieten Charkiw und Donezk wurden den Behörden zufolge mindestens vier Zivilisten getötet und 16 verletzt.