Deutsche Nachrichtenveranstaltungen finden statt

Ukraine aktuell | Biden spricht jetzt von “Völkermord”

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Biden spricht jetzt von “Völkermord”
  • Selenskyj: Westen muss Einsatz von Massenvernichtungswaffen vorbeugen
  • Botschafter Melnyk: Scholz soll nach Kiew kommen
  • Ukraine: Putin-Vertrauter festgenommen
  • Hunderttausende Kriegsflüchtlinge reisen in die Heimat zurück

 

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat US-Präsident Joe Biden von “Völkermord” gesprochen. Mit Blick auf Gräueltaten gegen Zivilisten sagte er: “Es kommen immer mehr Beweise für die schrecklichen Dinge ans Licht, die die Russen in der Ukraine getan haben.” Letztlich müssten Juristen auf internationaler Ebene entscheiden, ob es sich um einen Genozid handele oder nicht. Für ihn sehe es aber ganz danach aus, sagte Biden. Es werde “immer eindeutiger”, dass Russlands Staatschef Wladimir Putin versuche, “die bloße Vorstellung auszulöschen, ein Ukrainer sein zu können”.

Ukraine | zerstörte Häuser in Bohdanivka

Krieg, Not, Zerstörung: Bohdanivka nordöstlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew

Der US-Präsident hatte zuvor bei einer Rede in Menlo, Iowa, über die steigenden Verbraucherpreise gesprochen und dabei gesagt: “Ihr Familienbudget, Ihre Möglichkeit zu tanken – nichts davon sollte davon abhängen, ob ein Diktator die halbe Welt entfernt Krieg erklärt und Völkermord begeht.” Von mitreisenden Journalisten darauf angesprochen, bekräftigte er diese Wortwahl später.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte in einer ersten Reaktion, wenn man sich “gegen das Böse behaupten” wolle, sei es wichtig, “die Dinge beim Namen zu nennen”. Selenskyj hatte den russischen Truppen bereits einen Genozid vorgeworfen.

Jake Sullivan

“Eindeutig Kriegsverbrechen”: US-Sicherheitsberater Jake Sullivan (Archivbild)

Die Regierung in Washington hielt sich an dieser Stelle bisher zurück. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, Jake Sullivan, sagte am Wochenende, die jüngst bekannt gewordenen Gräueltaten unter anderem im Kiewer Vorort Butscha seien eindeutig Kriegsverbrechen. Einer Antwort auf die Frage, ob es sich auch um Völkermord handele, wich Sullivan allerdings aus.

Selenskyj: “Reagieren Sie präventiv!”

In seiner täglichen Videoansprache appellierte Selenskyj an die internationale Gemeinschaft, sie müsse vorbeugende Schritte gegen einen möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Russland unternehmen. Dies sei nötig wegen des wiederholten Einsatzes von Phosphormunition und wegen der russischen Drohung, in Mariupol Chemiewaffen einzusetzen.

“Reagieren Sie präventiv! Denn nach dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen ändert eine Reaktion nichts mehr”, sagte der Präsident. Er bezog sich auch auf Berichte aus der südlichen Hafenstadt Mariupol vom Vortag, wonach Russland dort mit einer nicht identifizierten chemischen Substanz angegriffen habe. Es lasse sich nicht hundertprozentig feststellen, was genau geschehen sei, so Selenskyj. In der belagerten Stadt sei es unmöglich, eine umfassende Untersuchung durchzuführen.

Ukraine | Azovstal Stahlwerk in Mariupol

Was geschah in Mariupol? Blick auf ein Stahlwerk, in dem sich ukrainische Kämpfer verschanzt haben (Archivbild)

Das in Mariupol eingesetzte Asow-Regiment hatte von drei Verletzten berichtet, bei denen Atembeschwerden und Lähmungen aufgetreten seien. Eine Bestätigung von anderen ukrainischen Stellen gibt es nicht. Die russische Seite bestritt den Einsatz von Chemikalien. Die USA und Großbritannien hatten schwerwiegende Konsequenzen angekündigt für den Fall, dass Moskau im Krieg gegen die Ukraine zu Nuklear- oder Chemiewaffen greifen sollte.

Botschafter Melnyk: Scholz muss nach Kiew

Nach der geplatzten Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die Ukraine hat deren Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, seine Einladung an Bundeskanzler Olaf Scholz erneuert. Es sei wichtig, “dass der Regierungschef nach Kiew kommt”, sagte Melnyk den Sendern ProSieben und Sat.1.

Bereits am Wochenende hatte der Botschafter erklärt, es sollten lieber Mitglieder der Bundesregierung nach Kiew reisen, “die konkrete Entscheidungen über weitere massive Unterstützung für die Ukraine treffen”. Das von Russland angegriffene Land fordert von den westlichen Staaten die kurzfristige Lieferung schwerer Waffen.

Deutschland l Ukraine Krieg l Andrej Melnyk, Botschafter der Ukraine im Abgeordnetenhaus

Nicht der Bundespräsident – der Kanzler soll reisen: Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk (Archivbild)

Auch drei Ausschuss-Vorsitzende des Bundestages, die die Ukraine am Dienstag besuchten, verlangen von Deutschland und der EU schärfere Maßnahmen gegen den Aggressor. “Die EU soll schnellstmöglich ein Ölembargo gegen Russland verhängen”, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), der Nachrichtenagentur Reuters. Roth hatte gemeinsam mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), und dem Vorsitzenden des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), ukrainische Parlamentarier getroffen.

Ukraine: Putin-Vertrauter festgenommen

Der ukrainische Geheimdienst SBU hat nach eigenen Angaben den Oppositionspolitiker und Unternehmer Viktor Medwedtschuk festgenommen. Die näheren Umstände sind nicht bekannt. Fotos, die das ukrainische Präsidialamt verbreitete, zeigen den 67-Jährigen in einer Militäruniform und mit Handschellen. Der Ukrainer gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten. Vor knapp einem Jahr war Medwedtschuk wegen angeblichen Hochverrats unter Hausarrest gestellt worden. Er selbst weist die Anschuldigungen als politisch motiviert zurück. Kurz nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine gelang es ihm unterzutauchen.

Viktor Medvedchuk

Festgesetzt: Der ukrainische Oppositionspolitiker und Unternehmer Viktor Medwedtschuk (Archivbild)

Ein Kreml-Sprecher in Moskau wollte die Meldungen zu der Festnahme nicht kommentieren. Der ukrainische Präsident Selenskyj schlug Russland in seiner täglichen Videoansprache vor, den Oligarchen gegen ukrainische Kriegsgefangene auszutauschen.

Hunderttausende reisen in die Heimat zurück

Rund 870.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind nach Angaben aus Kiew wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Derzeit seien es 25.000 bis 30.000 Menschen pro Tag, sagte ein Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes. Mittlerweile träfen auch vermehrt Frauen, Kinder und ältere Menschen ein, während es in den ersten Wochen des Krieges überwiegend kampfbereite Männer gewesen seien.

Nach UN-Angaben haben seit Beginn der russischen Invasion mehr als 4,6 Millionen Menschen die Ukraine verlassen, über sieben Millionen sind Schätzungen zufolge innerhalb des Landes auf der Flucht.

Ukraine meldet Beginn der Frühjahrsaussaat

Ungeachtet des Krieges hat der Regierung in Kiew zufolge in fast allen Landesteilen die Frühjahrsaussaat begonnen. Eine Ausnahme bilde Luhansk, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal. Das ostukrainische Gebiet ist fast vollständig in der Hand russischer Truppen. Die Regierung stelle 3,5 Milliarden Hrywnja (umgerechnet rund 108 Millionen Euro) für verbilligte Kredite an den Agrarsektor zur Verfügung. Auch die Registrierung von landwirtschaftlicher Technik solle vereinfacht werden.

Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt. Wegen des russischen Angriffskriegs werden große Ernteausfälle befürchtet, die zu Knappheit und Preissteigerungen auf den internationalen Agrarmärkten führen könnten. 

jj/ie (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag des Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.