Nachdem in den vergangenen Tagen Hunderte Migranten illegal über Belarus eingereist sind und weitere auf eine Möglichkeit zum Grenzübertritt warten, hat die Regierung in Riga für Teile Lettlands den Notstand beschlossen. Er gilt bis mindestens zum 10. November für mehrere Regionen im Südosten und Süden des Landes in der Nähe zu Belarus.
Zurückweisung notfalls mit Gewalt
Der Ausnahmezustand bedeute, dass die “Grenze zwischen Lettland und Belarus praktisch für jeden geschlossen wird”, sagte Ministerpräsident Krisjanis Karins. Unter den Bestimmungen des Ausnahmezustands dürfen Sicherheitskräfte in bestimmten Fällen physische Gewalt anwenden, um illegale Einreisen zu verhindern. Grenzbeamte sind außerdem nicht mehr verpflichtet, Asylanträge von Migranten zu akzeptieren.
Wie die Behörden des baltischen EU-Landes am Dienstag mitteilten, wurden allein in den vergangenen 24 Stunden etwa 200 Migranten registriert, die über die belarussisch-lettische Grenze in die Europäische Union einreisten.
EU: Lukaschenko missbraucht Migranten für politische Zwecke
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat in der Vergangenheit offen damit gedroht, als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten EU-Sanktionen, Menschen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Syrien über die Grenze zu lassen. Die EU, die ihre Sanktionen wegen der gefälschten Präsidentschaftswahl in Belarus verhängt hat, wirft Lukaschenko vor, Migranten zu instrumentalisieren, um auf diese Weise Vergeltung für die westlichen Sanktionen zu üben.
Betroffen sind neben Lettland auch die EU- und NATO-Länder Litauen und Polen, die ebenfalls eine gemeinsame Grenze mit Belarus haben. Besonders viele illegale Grenzübertritte gab es in Litauen, wo die Regierung bereits den Notstand verhängt hat, um schneller reagieren zu können. Auch aus Polen wurden vermehrte Einreiseversuche von Afghanen und Irakern gemeldet.

Auf einem Truppenübenungsplatz bei Rudninkai in Litauen wurde bereits ein Flüchtlingslager errichtet
In der nächsten Woche kommen die EU-Innenminister wegen des Flüchtlingsstreits mit Minsk zu einem virtuellen Krisentreffen zusammen. Der seit fast drei Jahrzehnten regierende Lukaschenko war im August 2020 trotz massiver Betrugsvorwürfe zum Sieger der Präsidentschaftswahl in Belarus erklärt worden. Die Beziehungen der EU zu der früheren Sowjetrepublik sind wegen anhaltenden Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition enorm angespannt.
qu/wa (dpa, afp)