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Welche Auswirkungen hat der Brexit auf den britischen Tourismus?

Am 23. Juni 2016 entschied eine knappe Mehrheit der britischen Wähler, dass Großbritannien aus der Europäischen Union scheiden solle. Und so kam es auch dreieinhalb Jahre danach dazu, am 31. Januar 2020 wurde der “Brexit” vollzogen. Die Folgen sind immens und wirken sich auf viele Bereiche aus wie Einwanderung, Handel und Tourismus. Langfristige Einschnitte werden wohl erst in den kommenden Jahren deutlich.

Für EU-Bürger ist seit dem Brexit die Einreise nach Großbritannien komplizierter geworden – auch, wer nur Urlaub machen möchte. Während vorher jeder mit einem EU-Personalausweis einreisen konnte, ist dies seit dem 01. Oktober 2021 nur noch mit einem Reisepass möglich. Den haben aber nicht alle – Schätzungen zufolge nur zwei von drei EU-Bürgern.

Englische Pfund und finnischer Pass

Der Brexit macht die Einreise für EU-Bürger nach Großbritannien komplizierter

Besucherzahlen rückläufig

Ein Bericht von VisitBritain aus dem November letzten Jahres zeigt, dass die Gesamtzahl der Besucher im Jahr 2022 um etwa ein Drittel unter dem Niveau von 2019 lag – dem Jahr vor der Pandemie, die einen Großteil des weltweiten Reise- und Tourismusgeschehens lahmlegte. Ein beträchtlicher Rückgang. Nun muss man fairerweise zugestehen, Brexit und COVID haben gleichzeitig gewirkt und es ist schwer im Nachhinein zu rekonstruieren, welches Ereignis die größeren Einschnitte verursachte. Fest steht: Die Pandemie ist vorbei, der Brexit nicht. Im Detail zeigen die Zahlen von VisitBritain, dass 8 Millionen Menschen Großbritannien zwischen April und Juni 2022 besuchten. Darunter waren fast 5 Millionen EU-Bürger. Das sind Größenordnungen, die nicht allzu weit entfernt von denen für den gleichen Zeitraum im Jahr 2019 liegen. Das nährt die Hoffnung, dass die Post-Brexit-Reisebestimmungen von den EU-Bürgern akzeptiert werden.

Westminster Palace mit Big Ben in London

Trotz Pandemie und Brexit: London bleibt ein beliebtes Reiseziel

Steigende Kosten könnten Touristen abschrecken

Der Brexit macht sich an anderer Stelle negativ bemerkbar. Einige europäische Reiseveranstalter, die sich auf Reisen nach Großbritannien spezialisiert haben, berichten, dass sie mit den steigenden Kosten im britischen Gastgewerbe zu kämpfen haben. 

Ein deutscher Unternehmer, der anonym bleiben möchte, um seinem Geschäft nicht zu schaden, erklärt gegenüber der DW, dass die steigenden Kosten für britische Hotelzimmer und andere Dienstleistungen im Gastgewerbe ihn seit dem Brexit dazu gezwungen haben, die Preise zu erhöhen. Er organisiert seit Mitte der 1990er Jahre maßgeschneiderte Schottlandreisen für wohlhabende deutsche, österreichische und schweizerische Reisende. Eine zehntägige Reise für zwei Personen hätte vor vier oder fünf Jahren zwischen 6000 und 8000 Euro gekostet, erzählt er, heute müsse er das Doppelte verlangen. “Es sind identische Touren, aber wir verdienen keinen einzigen Cent mehr”, beklagt er und fügt hinzu: “Die britischen Hotels haben ihre Preise verdoppelt, sogar verdreifacht, und alles ist teurer geworden.”

Forscher der London School of Economics and Political Science haben ermittelt, dass der Brexit zu mehr bürokratischen Hürden bei Geschäften mit anderen europäischen Ländern geführt hat. Das wiederum befeuert Großbritanniens rasante Inflation, die auch die Kosten für Dienstleistungen im Gastgewerbe und touristische Angebote in die Höhe treibt – obwohl natürlich auch andere Faktoren wie steigende Energiekosten eine Rolle spielen. Ende 2022 erreichte die britische Inflation ein 40-Jahres-Hoch.

Touristen in Edinburgh

Die meisten Schotten stimmten 2016 gegen den Brexit

Der Brexit verschärft den Personalmangel in Hotels, Bars und Restaurants

Das britische Gastgewerbe war in der Vergangenheit stark auf Niedriglohn-Arbeitskräfte aus EU-Ländern angewiesen. Doch diese Zeiten scheinen schon länger vorbei zu sein. Zahlen der Migration Observatory (Beobachtungsstelle für Migration) der Universität Oxford zeigen, dass die Zahl der EU-Beschäftigten im britischen Gastgewerbe bereits zwischen Juni 2019 und Juni 2021 um 25 % zurückgegangen ist. 

Diese Probleme wurden durch den Brexit noch verschärft. Pandemiebedingte Schließungen veranlassten viele Servicekräfte, Küchenpersonal und Hotelangestellte sich nach Jobs in anderen Branchen umzusehen oder zwangen sie sogar zur Rückkehr in ihre EU-Heimatländer. Betriebe, die früher italienisches, spanisches und griechisches Personal beschäftigten, können nun nicht mehr so leicht auf den EU-Arbeitsmarkt zugreifen. Die neuen Einwanderungsregeln nach dem Brexit erschweren gering qualifizierten EU-Bürgern den Zugang zum britischen Arbeitsmarkt erheblich.

Medienberichte über Personalengpässe im Gastgewerbe sind überall zu lesen. Einem kürzlich erschienenen Artikel der New York Times zufolge sind viele Londoner Restaurants gezwungen, ihre Öffnungszeiten aufgrund von Personalengpässen zu verkürzen. 11 % unbesetzte Stellen gäbe es in dieser Branche.

Eine Kellnerin deckt einen Tisch in einem Restaurant, London

Der Brexit hat Großbritanniens Personalmangel im Gastgewerbe verschärft

Was sagt die britische Tourismusbranche dazu?

Joss Croft, Leiter von UKinbound, dem britischen Tourismusverband, sagt, er sei zwar zuversichtlich, dass Großbritannien ein beliebtes Reiseziel bleibe. Aber er würde zwischen Großbritannien und den EU-Staaten ein Arbeits- und Reiseabkommen nach dem australischen Modell begrüßen, das Menschen unter 30 Jahren mit seinem Working Holiday Visum erlaubt, während ihres Urlaubs zu arbeiten. Dies könnte eine neue Quelle von Arbeitskräften für das angeschlagene Gastgewerbe erschließen und gleichzeitig eine Gelegenheit zum kulturellen Austausch bieten. “Wir wissen, dass Menschen, die in ihrer Jugend gern hierherkommen, das auch später fortsetzen und eher dazu bereit sind, im Vereinigten Königreich zu investieren und Geschäfte zu machen”.

Insgesamt äußert sich Croft optimistisch zur Zukunft Großbritanniens als Reiseziel und denkt, dass die Krönung von König Charles III. am 6. Mai und der Eurovision Song Contest in Liverpool am 13. Mai “Großbritannien wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen bringen werden und somit auch das Interesse am Land steigt”.