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Very German: Ein Besuch beim Christkindlmarket in Chicago

Ich bin Amerikanerin und lebe seit zehn Jahren in Deutschland. Deshalb kann ich durchaus behaupten, dass ich mittlerweile das eine oder andere über deutsche Weihnachtsmärkte weiß. Ich habe schon so manchen Glühwein getrunken und etliche handgemachte Weihnachtsdekoration gekauft.

Mit diesem Wissen ausgerüstet bin ich meine Heimat gereist – denn in Chicago soll es einen besonders schönen Weihnachtsmarkt geben. Der “Christkindlmarket” findet bereits seit 1995 auf dem Daley Plaza statt. Meine Familie lebt in Michigan, vier Stunden von Chicago entfernt. Aber das hat uns nicht aufgehalten, vor allem nicht meine Mutter, die geradezu verrückt nach deutschen Weihnachtstraditionen ist. Auch meine beiden Schwestern Christine und Marie ließen es sich nicht nehmen mitzukommen.

Weihnachtliche Stimmung zwischen Wolkenkratzern

Der Christkindlmarket auf dem Daley Plaza im Zentrum von Chicago ist nicht der einzige Markt in der Stadt. Es gibt sogar noch zwei weitere. Alle werden von der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer organisiert. Im vergangenen Jahr kamen 1,5 Millionen Besucher. In diesem Jahr sind es vermutlich mehr, da der dritte Weihnachtsmarkt erst dieses Jahr aufgemacht hat.

Vier Frauen posieren für ein Foto auf dem Christkindlmarket in Chicago

DW-Reporterin Sarah Hucal (links) mit ihrer Mutter und beiden Schwestern auf dem Christkindlmarket in Chicago

Es war für mich zunächst sehr ungewohnt, auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen, der von Wolkenkratzern umgeben ist und überall Englisch statt Deutsch zu hören. Aber der Bratwurstduft gab mir bald wieder das Gefühl als wäre ich in Deutschland.

Bayern lässt grüßen

Als Inspiration des Daley Plaza Christkindlmarket diente der berühmteste Weihnachtsmarkt in Deutschland: der Christkindlesmarkt in der bayerischen Stadt Nürnberg. Die Chicagoer Version trägt nicht nur fast den gleichen Namen, sondern verwendet ebenfalls die für Nürnberg typischen rot-weiß gestreiften Holzbuden-Dächer. Wie auf dem Nürnberger Markt gibt es auch hier ein Christkind. In den Anfangsjahren wurde das Nürnberger Christkind sogar aus Deutschland eingeflogen, um den Weihnachtsmarkt einzuläuten.

Heute hat Chicago sein eigenes Christkind, das an einem Tag in der Woche im Engelskostüm die Besucher begrüßt. “Es ist schön zu sehen, dass die Menschen auf den Markt kommen, um das Christkind zu sehen. Wir haben sehr daran gearbeitet, diese Tradition weiterzuverbreiten, und die Menschen scheinen sie wirklich zu mögen”, sagt Leila Schmidt vom Organisationsteam.

Das Christkind zusammen mit Musikern in Tracht auf dem Weihnachtsmarkt in Chicago.

Auch Chicago hat ein Christkind – hier in bester Gesellschaft mit Musikern in Tracht

Und wie schaut es aus mit Glühwein? Schließlich ist er ein Muss auf jedem deutschen Weihnachtsmarkt. Es gibt ihn auch in Chicago, direkt aus Nürnberg importiert! Meine Schwester Marie gönnte sich einen Becher und genoss das süße, wärmende Getränk sichtlich. Der Preis hingegen ist gesalzen: 10 Dollar (9,40 Euro) kostet die Tasse. In Berlin sind es um die 5 Euro. Dafür aber kann man in Chicago den Becher als Souvenir behalten – in Deutschland zahlt man dafür extra Pfand.

Wir schlenderten über den Markt und entdeckten einen Stand mit Kuckucksuhren und Nussknackern aus dem Schwarzwald. Doch auch hier sind die Preise deutlich höher als auf deutschen Weihnachtsmärkten. Dem Andrang nach zu urteilen, scheint das jedoch kaum jemanden abzuschrecken.

Zum Bierkrug-Verkauf von Ostdeutschland in die USA

Etwa 60 Prozent der Marktverkäufer kommen jedes Jahr extra aus Deutschland, um hier in Chicago ihre Waren anzubieten. Mit diesem Gedanken wurde der Christkindlmarket auch gegründet – zur Förderung des deutsch-amerikanischen Handels. Inzwischen aber kommen die Verkäufer aus der ganzen Welt.

Frieder Frötscher aus Plauen in Sachsen war von Anfang an dabei. Er kommt jedes Jahr wieder und betreibt inzwischen drei Stände, einen mit Schoko-Früchten und Marzipan, einen mit typisch deutschen Lebensmitteln und einen weiteren mit Deko-Bierkrügen. “In den ersten Jahren war es für mich sehr aufregend, in den USA zu sein, denn ich bin in Ostdeutschland hinter der Mauer aufgewachsen und wir hätten nie gedacht, dass wir einmal ein westliches Land besuchen würden, schon gar nicht die USA”, erzählt Frötscher.

Chicago Chriskindlmarket

Frieder Frötscher aus Sachsen und seine Bierkrüge

Es sei ganz anders, in den USA zu verkaufen als in Deutschland. Die Menschen seien aufgeschlossener und eher bereit, Trinkgeld zu geben. Eine Sache bringt Frötscher immer noch zum Schmunzeln: “Die Amerikaner denken, dass alle Deutschen aus einem Bierkrug trinken.” Inzwischen verbringt er etwa sechs Monate im Jahr in den USA und reist zu verschiedenen Oktoberfesten und anderen Veranstaltungen, um seine Krüge zu verkaufen.

Kann sich der Markt in Chicago mit deutschen Weihnachtsmärkten messen?

Natürlich gibt es auch deutsche Leckereien auf dem Weihnachtsmarkt in Chicago. Ich habe Berliner Currywurst gesehen, Leberkäse, Brezeln und sogar Döner! Was ich witzig fand: Es gab auch einen “deutschen Cheeseburger”. Ist das nicht eigentlich amerikanisch?

Wir holten uns was zu essen und wärmten uns im beheizten “Timber Tent” auf, einem Plastikzelt im Stile einer Almhütte. Meine Schwester Christine war von ihrer Bratwurst begeistert und holte sich kurzerhand noch eine zweite.

Kann nun der Weihnachtsmarkt in Chicago mit den Vorbildern in Deutschland mithalten? Wer könnte das besser beantworten als meine weihnachtsverliebte Mutter. Ich musste sie aber gar nicht fragen, ihre begeistert glänzenden Augen waren Antwort genug.