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Ukraine aktuell: Stromversorgung in Odessa wahrscheinlich für Monate unterbrochen

Das Wichtigste in Kürze:

  • Odessa muss wahrscheinlich bis zu drei Monate ohne Strom auskommen
  • Todesopfer nach Raketentreffer im russisch besetzten Melitopol
  • Russisches Militär ändert in der Ostukraine offenbar die Taktik
  • Präsident Selenskyj würdigt ukrainische Nobelpreisträgerin
  • Türkei will mit Russland und Ukraine über Getreidekorridor sprechen

“Nach dem nächtlichen Angriff iranischer Drohnen liegen Odessa und andere Städte und Dörfer der Region im Dunkeln”, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Mehr als 1,5 Millionen Menschen in der Region seien derzeit ohne Elektrizität. Nur Einrichtungen wie Krankenhäuser und Entbindungsstationen würden noch mit Strom versorgt, teilte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, im Messengerdienst Telegram mit. Die Situation sei “schwierig, aber unter Kontrolle”.

Nach Angaben von Regionalgouverneur Maksym Martschenko waren fast alle Bezirke und Gemeinden in der Region Odessa infolge des Beschusses von Stromausfällen betroffen. Zwei der Drohnen seien von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen worden, erklärte er. Nach Angaben der Regionalverwaltung kann es zwei bis drei Monate dauern, bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist. Den Bewohnern wurde empfohlen, nach Möglichkeit die Stadt vorerst zu verlassen.

Ukraine-Krieg Donetsk

Ein weitgehend zerstörtes Kloster bei Donezk in der Region Donbass

Nach einer Reihe von Niederlagen an der Front und mit dem einbrechenden Winter hatte Russland mit den Angriffen auf die Energie-Infrastruktur der Ukraine begonnen. Am vergangenen Montag starteten die russischen Streitkräfte eine erneute Angriffswelle mit Raketen. Am schwersten betroffen sind die Regionen im Süden des Landes, wie die Regierung in Kiew mitteilte. International stoßen die russischen Angriffe auf die zivile Energieversorgung der Ukraine, die Millionen von Menschen bei eisigen Temperaturen ohne Strom und Heizung lassen, auf scharfe Kritik. Kremlchef Wladimir Putin kündigte am Donnerstag an, die Angriffe fortzusetzen.

Todesopfer nach Raketentreffer im russisch besetzten Melitopol

Bei einem Angriff ukrainischer Artillerie auf die von russischen Truppen besetzte Stadt Melitopol im Südosten der Ukraine hat es nach ersten Berichten mindestens zwei Tote und zwei Verletzte gegeben. Wie der Vertreter der Besatzungsverwaltung, Wladimir Rogow, der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass sagte, wurde dabei unter anderem die Gaststätte “Jägereinkehr” getroffen. Nach seiner Darstellung waren mehrere Projektile aus einem amerikanischen Himars-Raketenwerfer auf die Stadt abgefeuert worden. Rund um Melitopol war am Abend die Flugabwehr aktiv geworden. Ob es dabei um die Abwehr ukrainischer Luftangriffe oder einfliegender Raketen ging, konnte von unabhängiger Seite nicht geklärt werden.

Ukraine Krieg mit Russland Bakhmut

Durch russische Angriffe wurden Häuser in Bachmut in der Region Donezk beschädigt

Russisches Militär ändert in der Ostukraine offenbar die Taktik

Russische und ukrainische Truppen liefern sich im Osten der Ukraine schwere Kämpfe. “Der Donbass ist die Hauptfront im Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine”, betonte Serhij Tscherewatyj, Sprecher der Heeresgruppe Ost der ukrainischen Streitkräfte, im Fernsehen. Im Mittelpunkt der Kämpfe standen demnach die Orte Bachmut und Awdijiwka. “Der Feind hat seine Taktik geändert”, sagte Tscherewatyj. Anstelle von Angriffen größerer Einheiten würden nun kleinere Gruppen von Soldaten attackieren. Beteiligt sei vor allem der Söldnertruppe Wagner, unterstützt von Rohr- und Raketenartillerie. “Wir analysieren diese Taktik und finden für jedes militärische Gift ein Gegengift”, versicherte der Militärsprecher.

Zuvor hatte das russische Militär von seiner Offensive in der Region berichtet. “Im Raum Donezk haben die russischen Einheiten ihre Angriffe fortgesetzt und den Gegner aus seinen befestigten Stellungen vertrieben”, erklärte Armeesprecher Igor Konaschenkow in Moskau. Auch im Norden zwischen den Kleinstädten Kreminna und Lyman habe man Stellungen erobert. Unabhängig ließen sich diese Darstellungen nicht überprüfen.

Frontlinie im Gebiet Donezk unter Beschuss (09.12.2022)

Die ukrainischen Streitkräfte beschossen unterdessen auch die Großstadt Donezk im Donbass nach Angaben der russischen Behörden mehrfach mit Raketenwerfern. Dabei seien unter anderem der Busbahnhof im Stadtzentrum sowie eine Schule getroffen worden, meldete die russische Staatsagentur Tass. Über mögliche Opfer wurden keine Angaben gemacht. Donezk ist die größte Stadt in der gleichnamigen Region, die von prorussischen Separatisten zur unabhängigen Volksrepublik erklärt wurde. Inzwischen hat Moskau das Gebiet völkerrechtswidrig annektiert.

Estland fordert mehr Waffenlieferungen in die Ukraine

Die estnische Regierungschefin Kaja Kallas drängt Deutschland und andere Bündnispartner zu weiteren Waffenlieferungen in die Ukraine. “Ich fordere alle Verbündeten einschließlich Deutschlands dringend auf, alles in die Ukraine zu schicken, das sie braucht, um sich zu verteidigen”, sagte die Ministerpräsidentin der Deutschen Presse-Agentur. “Wenn alle Verbündeten schon im Januar oder Februar Waffen geschickt hätten, wären viele Menschenleben gerettet worden.”

Kaja Kallas Ministerpräsidentin Estland

Kaja Kallas, die Ministerpräsidentin von Estland

Estland, eines der kleinsten EU-Länder, hatte anders als Deutschland bereits vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 23. Februar Waffen in die Ukraine geliefert. Nach einer Statistik des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hat das an Russland grenzende baltische Land die Ukraine gemessen am Bruttoinlandsprodukt insgesamt so stark unterstützt wie kein anderes Land der Welt. Bei den Waffenlieferungen liegt es in der Statistik auch in absoluten Zahlen vor viel größeren und finanzstärkeren europäischen Ländern wie Italien oder Spanien.

Präsident Selenskyj würdigt Nobelpreisträgerin

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Verleihung des Friedensnobelpreises unter anderem an die Menschenrechtsorganisation seiner Landsfrau Olexandra Matwijtschuk als besonderes Ereignis gewürdigt. “In diesem Jahr wurde zum ersten Mal die Sprache der Ukraine bei der Zeremonie gehört – dank des Zentrums für bürgerliche Freiheiten und seiner Leiterin, Frau Matwijtschuk, die mit dem Friedenspreis ausgezeichnet wurde”, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. Er gratulierte Olexandra, ihren Kollegen und allen ukrainischen Menschenrechtsverteidigern zu der Anerkennung.

Oleksandra Matviychuk

Olexandra Matwijtschuk bei ihrer Nobelpreisrede in Oslo

Menschenrechtler aus Belarus, Russland und der Ukraine waren am Samstag in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Neben dem ukrainischen Zentrum für bürgerliche Freiheiten (Center for Civil Liberties, CCL) wurden die aufgelöste russische Organisation Memorial und der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki mit dem weltweit wichtigsten politischen Preis geehrt. Der Preis wurde am Internationalen Tag der Menschenrechte verliehen. Selenskyj nahm dies zum Anlass, diesen Tag auch für die Ukraine offiziell einzuführen.

Türkei plant Gespräche mit Russland und Ukraine über Getreidekorridor

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will an diesem Sonntag jeweils Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj führen. Ziel sei es, den mit dem Getreideabkommen eingerichteten Korridor für Frachtschiffe im Schwarzen Meer zu stärken, kündigte Erdogan in Istanbul an. Details nannte er nicht.

Unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen hatten Russland und die Ukraine im Juli ein Abkommen zum Export ukrainischen Getreides über einen Korridor im Schwarzen Meer geschlossen. Die Vereinbarung beendete eine monatelange Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren infolge des russischen Angriffskriegs. Die Schiffe auf dem Weg von oder in ukrainische Häfen werden in einem gemeinsamen Zentrum in Istanbul kontrolliert – durch Teams aus ukrainischen, russischen, türkischen und UN-Vertretern.

Istanbul Getreidefrachter aus Ukraine warten auf Durchfahrt durch Bosporus

Diese Getreidefrachter müssen alle auf ein Durchfahr-Erlaubnis für den Bosporus warten

Bisher wurden 13 Millionen Tonnen Getreide und andere Lebensmittel aus der Ukraine exportiert, wie das Koordinierungszentrum in Istanbul mitteilte. Die Kontrollen gehen jedoch nur langsam voran. Derzeit warteten 79 Schiffe vor Istanbul darauf, inspiziert zu werden. Das Juli-Abkommen sieht aber auch vor, dass russische Lebens- und Düngemittel trotz westlicher Sanktionen exportiert werden können. Das stellte sich aber als schwierig heraus: Zwar zielen die Sanktionen nicht direkt auf diese Exporte, ihre Existenz macht es russischen Akteuren aber schwer, europäische Häfen anzulaufen, Zahlungen abzuwickeln und Versicherungen für ihre Schiffe zu bekommen. Die Regierung in Moskau hatte das immer wieder kritisiert und gedroht, das Abkommen nicht zu verlängern.

kle/ack (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.