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Ukraine Aktuell: Selenskyj sieht Russland vor Kriegstribunal

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj will Moskau vor internationales Strafgericht bringen
  • Präsidentenberaterin beklagt 15.000 Vermisste
  • Sicherheits-Expertin warnt vor Destabilisierung Europas

 

 

“Mit jedem solchen Raketenangriff treibt sich Russland nur noch tiefer in eine Sackgasse”, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache, nur wenige Stunden nach dem jüngsten russischen Großangriff mit Marschflugkörpern und sogenannten Kamikaze-Drohnen.

“Werden durchhalten”

Der “Status des größten Terroristen der Welt” werde sich noch lange auf Russland und seine Bürger auswirken. “Und jede Rakete bestätigt nur, dass das alles mit einem Tribunal enden muss, genau so wird es sein”, sagte Selenskyj. In seinen Unterredungen mit ausländischen Staats- und Regierungschefs versucht der ukrainische Staatschef, deren Unterstützung für einen Internationalen Strafgerichtshof nach dem Vorbild des Nürnberger Tribunals zu gewinnen, vor dem sich Politiker und Militärs aus Moskau für den Angriffskrieg gegen die Ukraine verantworten sollen.

Landesweite Angriffe auf die Ukraine

Nach Selenskyjs Darstellung hat der jüngste russische Raketenangriff erneut schwere Schäden im Energienetz in weiten Teilen des Landes verursacht. “Dieses Jahr hat noch zwei Tage, vielleicht wird der Feind erneut versuchen, uns dazu zu bringen, das Neue Jahr im Dunkeln zu feiern”, warnte Selenskyj vor weiteren Angriffen. “Aber egal, was sie vorhaben, eines wissen wir über uns selbst: Wir werden durchhalten.”

Tausende Vermisste

Präsidentenberaterin Alona Verbytska betonte, seit Kriegsbeginn in der Ukraine würden Tausende Soldaten und Zivilisten vermisst. “Russland hat aktuell 3392 ukrainische Kriegsgefangene bestätigt, aber in der Ukraine gelten derzeit 15.000 Menschen als vermisst, darunter viele Zivilisten”, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Papst Franziskus und Alona Verbytska

Papst Franziskus begrüßt die ukrainische Präsidentenberaterin Alona Verbytska (Archivbild)

Das Schicksal dieser Menschen sei völlig ungewiss, sagte Verbytska, die sich als Ombudsfrau für die Rechte ukrainischer Soldaten engagiert. “Wir wissen nicht, was mit ihnen geschehen ist”, sagte sie. “Befinden sie sich auch in russischer Kriegsgefangenschaft, sind sie aus russisch besetzten Gebieten verschleppt oder womöglich längst umgebracht worden?”

Diese Ungewissheit sei vor allem für die Angehörigen schrecklich, erklärte Verbytska, die Präsident Wolodymyr Selenskyj berät und bei der Suche nach Vermissten hilft. Ukrainische Behörden haben wiederholt darauf hingewiesen, dass ganze Familien und auch Kinder aus den besetzten Gebieten nach Russland verschleppt würden.

Ja zu “objektiver Untersuchung”

Nach dem Fund einer Rakete auf dem Staatsgebiet von Belarus hat das ukrainische Verteidigungsministerium seine Mitarbeit an den Untersuchungen des Vorfalls angeboten. In einer am Erklärung des Ministeriums in Kiew heißt es, dass die Behörde zu einer “objektiven Untersuchung des Vorfalls” bereit sei.

Kiew, Ukraine | Weihnachten und Neujahr im Schutzraum

In Kiew sucht eine Frau mit ihrem Hund Schutz in einer Notunterkunft

Staatsmedien in der belarussischen Hauptstadt Minsk hatten berichtet, dass eine vom Flugabwehrsystem S-300 abgesfangene Rakete auf belarussisches Staatsgebiet gefallen sei. Das Verteidigungsministerium in Kiew wies darauf hin, dass die Ukraine am Donnerstag von einer Welle russischer Marschflugkörper angegriffen worden sei. “Daher ist auch eine Provokation von Seiten des Terroristen-Staats Russland nicht auszuschließen, der eine Flugroute seiner Marschflugkörper so ausgewählt hat, um ihren Abschuss im Luftraum über Belarus zu provozieren”, hieß es.

Das wäre ein ähnlicher Vorfall wie im November, als polnisches Gebiet getroffen wurde. Der belarussische Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko war über den Vorfall informiert worden. Kurz darauf wurde der ukrainische Botschafter in Minsk ins Außenministerium zitiert, wo ihm eine Protestnote wegen des Zwischenfalls überreicht wurde.

Front und Frauenrollen

Belarus ist nicht direkt an Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligt. Allerdings hat Lukaschenko russischen Truppen die Militärbasen in dem Land für Angriffe auf die Ukraine überlassen. In der Ukraine sind die Sorgen groß, dass Russland von Belarus aus einen neuen Angriff starten könnte.

Warnung vor Destabilisierung Europas

Ein durch den Ukraine-Krieg geschwächtes Russland hat nach Ansicht einer Expertin schwere Folgen für die Stabilität angrenzender Regionen. “Jegliche Schwächung von Russland und das möglicherweise Auseinanderbrechen dieses Vielvölkerstaates hat eine enorm destabilisierende Wirkung auf Europa und darüber hinaus”, sagte die sicherheitspolitische Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Claudia Major, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Claudia Major

Sicherheitsexpertin Claudia Major warnt vor den Folgen eines geschwächten Russlands

“Wir müssen uns auch fragen, wie wir mit dem möglichen Chaos umgehen, wenn Russland keine Führungsmacht mehr ist, etwa im zentralasiatischen Raum”, so Major weiter. Schon jetzt seien die Folgen in Zentralasien, wo Russland eine hegemoniale Führungsmacht war, sichtbar. “Der Kreml wird dort nach den militärischen Niederlagen in der Ukraine als schwach wahrgenommen und erste Staaten wollen dies nutzen, um sich aus der Einflusssphäre Moskaus zu lösen.”

 

haz/ack (dpa, rtr)