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Ukraine aktuell: Prag und Bratislava stärken Kiew den Rücken

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Tschechien und Slowakei befürworten EU- und NATO-Beitritt der Ukraine
  • Streit in der EU über ukrainische Agrarimporte beigelegt
  • Botschafter Makeiev erbittet mehr Waffen
  • Selenskyj bittet Xi um Hilfe für Rückholung verschleppter Kinder
  • Polen kauft in Großbritannien Luftabwehrsysteme

 

“Die Mitgliedschaft der Ukraine in EU und NATO ist für uns keine Frage, ob, sondern wann”, schrieb der neue tschechische Präsident Petr Pavel auf Facebook nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Präsidentin der Slowakei, Zuzana Caputova, versicherte: “Es ist mir eine Ehre, Ihnen unsere Unterstützung auszudrücken, Präsident Selenskyj.” Mit der Ukraine verbinde man eine gemeinsame Zukunft.

Neben Kiew hatten die beiden auch vom Krieg stark betroffene Vororte Kiews besucht. In Butscha sagte Pavel dem tschechischen TV-Sender CT24, er zweifle nicht daran, dass Russland absichtlich zivile Ziele angreife. “Aus der Vielzahl der Angriffe auf zivile Ziele lässt sich nichts anderes schließen, als dass Absicht dahinter steckt. Navigationsfehler oder fehlerhafte Zieleingaben kann es manchmal geben. Aber bei so einer großen Zahl ist das einfach kein Fehler mehr. Da steckt eindeutig ein Plan dahinter: Chaos und Schrecken in der Zivilbevölkerung auslösen, damit sie Druck auf die Regierung zum Nachgeben ausübt.” Die Ukrainer und ihre Verbündeten hätten sich aber dadurch nicht beugen lassen, sagte Pavel.

Streit in der EU über ukrainische Agrarimporte beigelegt

Die EU-Kommission hat sich eigenen Angaben zufolge mit fünf osteuropäischen Mitgliedstaaten im Streit über Agrarimporte aus der Ukraine geeinigt. Die EU-Kommission habe mit “Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei eine grundsätzliche Einigung über Agrar- und Lebensmittelprodukte aus der Ukraine erzielt”, schrieb EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis auf Twitter. Die Kommission wolle damit sowohl die Bedenken der Ukraine als auch die der benachbarten EU-Länder “ausräumen”. Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei hatten Agrar-Einfuhren aus der Ukraine beschränkt und argumentiert, dass billiges Getreide aus dem Kriegsland ihre eigenen Märkte verzerre. Auch Rumänien beklagte sich.

Das Abkommen sieht die Aufhebung der “einseitigen Maßnahmen” einiger Länder gegen ukrainische Agrarprodukte vor. Kiew kann somit auch weiterhin seine Produkte in Drittländer exportieren. Die Mitgliedstaaten einigten sich darauf, die Einfuhr bestimmter Produkte aus der Ukraine ohne mengenmäßige Beschränkungen sowie ohne Zoll- und amtliche Kontrollen zuzulassen.

Im Gegenzug sollen für Produzenten von Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen in Osteuropa “außergewöhnliche Schutzmaßnahmen” greifen. Zudem profitieren betroffene Landwirte von einem 100-Millionen-Euro-Unterstützungspaket. Das Abkommen bewahre “sowohl die Exportkapazität der Ukraine, damit sie weiterhin die Welt ernähren kann, als auch die Lebensgrundlage unserer Landwirte”, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer ersten Reaktion auf Twitter.

Botschafter Makeiev erbittet mehr Waffen

Kurz vor der erwarteten Frühjahrsoffensive ist die Ukraine nach Aussage des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Oleksii Makeiev, vor allem mehr Flugabwehrwaffen angewiesen. Weitere Flugabwehrsysteme wie Iris-T, Patriot und Gepard werden am dringlichsten benötigt”, sagte Makeiev den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorab. Für die Offensive brauche man aber auch gepanzerte Fahrzeuge, Panzer und Artilleriesysteme. Je professioneller die ukrainische Armee ausgestattet sei, desto mehr Zivilisten könnten gerettet und desto schneller die russische Armee aus den besetzten Gebieten verdrängt werden, betonte der Botschafter. “Russlands Niederlage ist eine Garantie für ein normales Leben in Europa.”

Oleksij Makejew | ukrainischer Botschafter in Berlin

Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev

Zugleich lobte er die bisherigen Waffenlieferungen aus Deutschland. Deutschland hat unter anderem 18 Kampfpanzer Leopard 2A6 mit Munition an die Ukraine geschickt. Hinzu kamen 40 Marder-Schützenpanzer sowie 34 Gepard-Flakpanzer, außerdem die Flugabwehrsysteme Patriot und Iris-T. Der Gesamtwert der Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern beträgt knapp 2,8 Milliarden Euro.

Mindestens 25 Tote bei russischen Raketenangriffen

Die Zahl der Todesopfer durch die erste größere russische Angriffswelle in der Ukraine seit Wochen ist auf mindestens 25 gestiegen. Am schwersten von den Raketenangriffen am Freitag getroffen wurde die Stadt Uman im Zentrum des Landes. Dort wurden nach Behördenangaben mindestens 23 Bewohner eines Hochhauses getötet, darunter vier Kinder. In dem zerstörten Wohnhaus in Uman suchen Rettungskräfte weiter nach Verschütteten. Auch die Stadt Dnipro wurde von Marschflugkörpern getroffen. Hier wurden laut Behördenangaben eine junge Frau und ein dreijähriges Kind getötet. Zum ersten Mal seit Monaten wurde auch die Hauptstadt Kiew mit Marschflugkörpern beschossen, hier gab es keine Opfer.

Tote nach Luftangriffen in der Ukraine

Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Angriffe und zeigte sich überzeugt, dass diese Moskau dem “Scheitern und der Bestrafung” näherbringen. Sein Berater Mychailo Podoljak schrieb auf Twitter: “Wenn ihr nicht wollt, dass sich das in der Welt verbreitet, gebt uns Waffen. Viele Waffen. Und erweitert die Sanktionen.” Das russische Verteidigungsministerium gab an, “temporäre Aufmarschpunkte von Reserveeinheiten der ukrainischen Streitkräfte” mit “hochpräzisen Waffen” bombardiert zu haben. “Alle zugewiesenen Ziele wurden getroffen.”

Der Armee zufolge wurden über der Hauptstadt elf Marschflugkörper und zwei Drohnen abgeschossen. Insgesamt wurden landesweit nach Armeeangaben 21 von 23 russischen Marschflugkörpern unschädlich gemacht. Die Raketenabwehr der Ukraine war zuletzt durch die Lieferung hochmoderner Abwehrsysteme durch die westlichen Verbündeten massiv verstärkt worden.

Selenskyj bittet Xi um Hilfe für Rückholung verschleppter Kinder

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den chinesischen Staatschef Xi Jinping gebeten, bei der Rückführung verschleppter ukrainischer Kinder aus Russland zu helfen. “Wir müssen alle einbeziehen, um Druck auf den russischen Aggressor und die Terroristen auszuüben, die so viele unserer Kinder entführt haben”, sagte Selenskyj in Kiew. Die Bemühungen der Vereinten Nationen und anderer Akteure hätten nur “dürftige Ergebnisse” erzielt.

Nach Angaben aus Kiew hat Russland seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 mindestens 20.000 Kinder aus der Ukraine weggebracht. Nur rund 360 von ihnen konnten demnach in ihre Heimat zurückgeholt werden. Mitte März hatte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) wegen der Verschleppungen Haftbefehl gegen Kreml-Chef Wladimir Putin und die “Kinderrechtsbeauftragte” des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, erlassen.

Bildkombo Selenskyj und Xi Jinping

Sie haben jüngst erstmals telefoniert: Wolodmir Selenskyj und Xi Jinping

Xi und Selenskyj hatten am Mittwoch zum ersten Mal seit Kriegsbeginn miteinander telefoniert. Der chinesische Staatssender CCTV meldete danach, Xi habe Selenskyj mitgeteilt, dass “Gespräche und Verhandlungen der einzige Ausweg” aus dem Krieg seien. Um in dem Konflikt zu einer “politischen Einigung” zu kommen, will Peking eine hochrangige Delegation in die Ukraine schicken. China bezeichnet sich als neutral in dem Konflikt und hatte im Februar einen Zwölf-Punkte-Plan zur Beendigung des Ukraine-Kriegs vorgestellt.

Polen kauft in Großbritannien Luftabwehrsysteme

Die britische Tochter des europäischen Rüstungskonsortiums MBDA wird Luftabwehrsysteme im Wert von rund 1,9 Milliarden Pfund (knapp 2,2 Milliarden Euro) an Polen liefern. Die Bestellung umfasse mehrere hundert Camm-Raketen und 44 Raketenwerfer, teilte die polnische Rüstungsbehörde mit. Die Rüstungsgüter sollen zwischen 2025 bis 2029 geliefert werden.

Der Hersteller MBDA sprach vom “größten europäischen Anschaffungsprogramm zur Kurzstrecken-Luftverteidigung in der NATO”. Die Raketen und Raketenwerfer “stärken Polens Luftverteidigungsfähigkeit”, schrieb der Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak auf Twitter. Der britische Premierminister Rishi Sunak feierte den Abschluss als “großen Schub für die euro-atlantische Sicherheit”. Polen nutze das Camm-System von MBDA bereits. “Zusammen mit der britischen Armee ist es in Polen schon stationiert”, teilte Sunaks Büro mit. Dies sei eine Reaktion auf den “barbarischen Einmarsch” Russlands in die Ukraine.

Politikexperte: Komplexe Probleme verzögern ukrainische Offensive

Die erwartete Offensive der ukrainischen Streitkräfte wird nach Ansicht des Politikexperten András Rácz durch eine Verknüpfung mehrerer Probleme gebremst. Dazu gehörten die russischen Befestigungen, der Munitionsmangels in der Ukraine, die mangelnde Erfahrung der Ukraine bei der Koordinierung einer solchen Offensive und der monatelange Dauerregen, sagte Rácz der Deutschen Welle. Er ist Senior Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. “Die Gegenoffensive muss noch abgewartet werden”, resümierte er mit Blick auf die Bedingungen vor Ort. 

Wann kommt die ukrainische Frühjahrsoffensive?

Auf die Frage nach den Erfolgsaussichten einer solchen Offensive betonte er, dass es “eine beträchtliche Chance” dafür gebe. Jedoch hänge viel “von den Brigadekommandeuren, den Bataillonskommandeuren und der Art und Weise ab, wie diese kombinierte Waffenoperation durchgeführt wird”.

Andras Racz

Äußerte sich im DW-Interview: Andras Rácz

Der Grund für die russischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung sei “wahrscheinlich das Ziel, die Moral der Ukraine zuerst zu brechen”. Rácz führte aus, dass Moskau damit auch strategische Zwecke verfolge. Es wolle Kiew zwingen, “seine Luftverteidigungsressourcen zu teilen und auch die kaum vorhandene Munition für die modernen Luftverteidigungssysteme abzufeuern”. Sobald jedoch der ukrainische Vormarsch beginne, “wird Russland all seine Ressourcen, all seine Waffen konzentrieren, um die Gegenoffensive zu stoppen, darunter natürlich auch Langstreckenraketen und Marschflugkörper”, so der Forscher.

Borrell: “Versuche, Moldau zu destabilisieren”

Angesichts von Spannungen zwischen Russland und Moldau haben die EU-Länder einen gesetzlichen Rahmen für Sanktionen gegen Personen geschaffen, die Moldau offenkundig destabilisieren wollen. Dabei gehe es etwa um Aktivitäten, die die Souveränität und Unabhängigkeit des Landes bedrohten, erklärte der Europäische Rat. Als Beispiel nannte er Rat etwa eine Behinderung demokratischer Prozesse wie Wahlen oder den Versuch, die staatliche Ordnung auch mit Gewalt zu stürzen. Mögliche Sanktionen sind demnach Einreiseverbote in die EU und das Einfrieren von Vermögen.

Man sehe “zunehmende und andauernde Versuche, Moldau zu destabilisieren”, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Der Sanktionsrahmen sei ein “wichtiges politisches Signal der EU-Unterstützung für Moldau in dem derzeitigen schwierigen Kontext”. Im Februar war Natalia Gavrilita überraschend als Ministerpräsidentin Moldaus zurückgetreten. Sie warf Moskau vor, ihre Regierung untergraben zu wollen. Die pro-europäische Präsidentin Maia Sandu hatte damals vor möglichen Umsturzversuchen gewarnt. Auch internationale Beobachter haben Russland vorgeworfen, die Lage in dem EU-Beitrittskandidatenland destabilisieren zu wollen. Das Außenministerium in Moskau wies die Vorwürfe zurück.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/wa (afp, rtr, dpa)