Deutsche Nachrichtenveranstaltungen finden statt

Ukraine aktuell: Luftraum-Sicherung hat Priorität

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Pistorius: Sicherung des Luftraums über der Ukraine ist vordringlich
  • Philosoph Habermas spricht sich für Verhandlungen aus
  • Selenskyj bezeichnet Lage an der Front als extrem schwierig
  • USA vergeben großen Munitions-Auftrag
  • Moldau sperrt wegen Flugobjekt kurzzeitig den Luftraum

 

In der Diskussion über weitere Militärhilfen für die Ukraine sieht Verteidigungsminister Boris Pistorius die Frage nach der Lieferung von Kampfjets derzeit nicht im Fokus. Es gebe eine andere Herausforderung, und zwar den Luftraum über der Ukraine zu sichern, sagte der Minister in den ARD-Tagesthemen. Dazu brauche es eine funktionierende Luftverteidigung mit ausreichend Munition: “Wenn der Himmel über der Ukraine in den nächsten drei bis vier Monaten sicher bleibt, dann kann man über alle weiteren Schritte reden – insbesondere der Einsatz von Panzerverbänden macht dann erst richtig Sinn”, sagte Pistorius.

Im Zusammenhang mit der Lieferung von Kampfpanzern sei es “ein klein bisschen enttäuschend”, dass bisher nur Polen, Norwegen und Portugal als europäische Partner Panzer zugesagt hätten, erklärte er weiter. Die ersten Leopard-2-Panzer aus Deutschland sollen laut Pistorius in der letzten März-Woche in der Ukraine ankommen.

Der Verteidigungsminister rief zugleich die Rüstungsindustrie dazu auf, mehr Munition zu produzieren, auch wenn entsprechende Verträge noch nicht unterschrieben seien.

Wie weiter mit der Unterstützung für die Ukraine?

Habermas für Verhandlungen

Der Philosoph Jürgen Habermas hat sich mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine für Verhandlungen ausgesprochen. Zwar leiste der Westen aus guten Gründen militärische Hilfe an die Ukraine, schrieb der 93-Jährige in einem Gastbeitrag für die “Süddeutsche Zeitung”. Daraus erwachse aber auch Verantwortung. “Aus der Perspektive eines Sieges um jeden Preis hat die Qualitätssteigerung unserer Waffenlieferungen eine Eigendynamik entwickelt, die uns mehr oder weniger unbemerkt über die Schwelle zu einem dritten Weltkrieg hinaustreiben könnte”, warnte er.

Inzwischen tauchten kritische Stimmen auf, die auf ein Nachdenken über den schwierigen Weg zu Verhandlungen drängten. “Wenn ich mich diesen Stimmen anschließe, dann gerade weil der Satz richtig ist: Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren”, schrieb Habermas, der einräumte, dass es derzeit keine Anzeichen dafür gebe, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin auf Verhandlungen einlassen werde.

Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas

Der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas (Archivfoto von 2018)

Ihm gehe es um den vorbeugenden Charakter rechtzeitiger Verhandlungen, so Habermas. Diese verhinderten, dass ein langer Krieg noch mehr Menschenleben und Zerstörungen fordere – “und uns am Ende vor eine ausweglose Wahl stellt: entweder aktiv in den Krieg einzugreifen oder, um nicht den Ersten Weltkrieg unter nuklear bewaffneten Mächten auszulösen, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen”.

Habermas nannte es ein Kernproblem der Debatte, dass die Ziele der Ukraine und ihrer Unterstützer unklar seien. “Ist es das Ziel unserer Waffenlieferungen, dass die Ukraine den Krieg ‘nicht verlieren’ darf, oder zielen diese nicht vielmehr auf einen ‘Sieg’ über Russland?”, fragte er. 

Der Philosoph hatte bereits im vergangenen April in einem vielbeachteten Gastbeitrag für die “Süddeutsche Zeitung” zur Besonnenheit gemahnt.

Selenskyj spricht von “extrem schwieriger” Lage

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Situation an der Front als “extrem schwierig” beschrieben. Insbesondere in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk gebe es “buchstäblich einen Kampf um jeden Meter ukrainischen Landes”, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.

Ukrainische Soldaten an der Front bei Bachmut

Ukrainische Soldaten an der Front bei Bachmut

Reporter der Nachrichtenagentur AFP hörten am Dienstag nahe der umkämpften Stadt Bachmut heftiges Artilleriefeuer. Seit mehreren Monaten versuchen die russischen Streitkräfte und Söldner der Gruppe Wagner, Bachmut zu erobern. Bei den heftigen Kämpfen haben beide Seiten schwere Verluste erlitten. Die in der Bergbauregion gelegene Stadt hat sich zu einem wichtigen politischen und symbolischen Ziel entwickelt. Der Kreml in Moskau verfolgt die Absicht, die Region Donezk komplett unter Kontrolle zu bringen.

USA lassen für 522 Millionen Dollar Munition herstellen

Die US-Regierung hat einen 522 Millionen Dollar (486 Millionen Euro) schweren Rüstungsauftrag an zwei Konzerne vergeben, die mit dem Geld Artillerie-Munition für die ukrainische Armee produzieren sollen. Die erste Munition aus diesem Auftrag solle bereits im kommenden Monat geliefert werden, teilte die US-Armee mit. Der Auftrag ging an die Unternehmen Northrop Grumman Systems und Global Military Products.

Erst am Montag hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg darauf hingewiesen: “Die gegenwärtige Frequenz des Munitionsverbrauchs der Ukraine ist um ein Vielfaches höher als unsere gegenwärtige Produktionsrate.”

Moldau sperrt wegen Flugobjekt kurzzeitig Luftraum

Die an die Ukraine grenzende Republik Moldau hat am Dienstag vorübergehend ihren Luftraum wegen eines Flugobjekts gesperrt, das Behörden zufolge einem Wetterballon ähnelte. Die zivile Flugbehörde des Landes erklärte, sie sei über ein “kleines unidentifiziertes Objekt” informiert worden. Weil die Wetterbedingungen eine genauere Untersuchung verhindert hätten, sei der Luftraum gesperrt worden, “um den Schutz und die Sicherheit der zivilen Luftfahrt sicherzustellen”.

Eine moldauische Zeitung berichtete, eine “ausländische Drohne” sei ohne Erlaubnis in den Luftraum eingedrungen. Der Vorfall ereignete sich einen Tag, nachdem Moldaus Präsidentin Maia Sandu Russland vorgeworfen hatte, einen gewaltsamen Umsturz in ihrem Land zu planen. Der Kreml in Moskau bestreitet die Vorwürfe.

Im Nachbarland Rumänien wurde in etwa 3400 Metern Höhe ebenfalls ein Flugobjekt gesichtet, das äußerlich einem Wetterballon ähnelte. Ob es sich um dasselbe Objekt handelte, blieb unklar. Zwei rumänische Kampfjets unter NATO-Kommando konnten das Objekt bei einem Aufklärungsflug nicht ausfindig machen, wie das Verteidigungsministerium in Bukarest mitteilte.     

se/ehl (rtr, dpa, afp, ard, sz)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.