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Ukraine aktuell: Bewegung in der Kampfpanzer-Frage

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Baerbock: Würden “Leopard”-Export nicht blockieren
  • Pistorius: Panzerlieferung wird im Kanzleramt entschieden
  • Verteidigungsministerium in Kiew bestreitet Korruption

 

In die Debatte um die Lieferung von “Leopard”-Kampfpanzern an die Ukraine kommt Bewegung: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kündigte im französischen Fernsehen an, dass Deutschland den Panzerexport von Drittstaaten nicht blockieren würde. “Im Moment ist die Frage noch nicht gestellt worden, aber wenn wir gefragt würden, würden wir nicht im Weg stehen”, sagte Baerbock dem Sender LCI.

Die Grünen-Politikerin antwortete damit auf die Frage, was geschehen würde, wenn Polen der Ukraine “Leopard”-Panzer zur Verfügung stellt. Dafür wäre eigentlich eine Genehmigung der Bundesregierung erforderlich. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte allerdings am Sonntag erklärt: “Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen – mit oder ohne Deutschland.” Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine “kleinere Koalition” bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustimmung beginnen, einige ihrer “Leopard”-Panzer an die Ukraine zu liefern.

Frankreich | Außenministerin Annalena Baerbock und Catherine Colonna

Gespräch in Paris: Außenministerin Annalena Baerbock (l.) mit ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna

Pistorius: “Leopard”-Lieferung wird im Kanzleramt entschieden

Die Entscheidung, ob auch Deutschland der Ukraine “Leopard”-Kampfpanzer liefert, ist nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius weiter offen. “Der Entscheidungsprozess läuft, und den werden wir jetzt abwarten müssen”, sagte Pistorius im Ersten Deutschen Fernsehen. Jeder verstehe, in welcher Not die Ukraine aktuell sei. Deswegen werde es “auch bald eine Entscheidung geben, wie immer sie aussieht”. Diese hängt nach seinen Worten “von vielen Faktoren ab” und werde “im Kanzleramt getroffen”.

“Dass es Panzer braucht, dass es Offensivbewegung braucht im Hinblick auf Donbass und Luhansk, ist völlig klar”, betonte der SPD-Politiker, der erst vergangene Woche als Verteidigungsminister vereidigt wurde. “Wie das dann ausgestaltet wird, muss man sehen. Es gibt auch noch andere Staaten, die ihre Beiträge liefern können.” Für Deutschland gehe es einerseits um die Abstimmung mit den Partnerländern, vor allem mit den USA, führte Pistorius weiter aus. Gleichzeitig handele es sich um eine “schwere Panzerwaffe, die eben auch für Offensivzwecke genutzt werden kann”. Deshalb müsse die Bundesregierung hier “sehr sorgfältig abwägen” und könne “nicht übereilt und leichtfertig” entscheiden. Pistorius verwies darauf, dass es auch in der deutschen Bevölkerung “keinesfalls ein einheitliches Meinungsbild” zu der Frage der Panzerlieferungen gebe.

Deutschland | Boris Pistorius, Verteidigungsminister

Erst seit wenigen Tagen im neuen Amt: Boris Pistorius

Kritik an der zögerlichen Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam von der oppositionellen Union, aber auch von den Koalitionspartnern Grüne und FDP. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sagte, er habe erwartet, dass der Kanzler bei den Feierlichkeiten zu 60 Jahren Elysée-Vertrag eine gemeinsame Erklärung mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bezüglich Kampfpanzer-Lieferungen abgebe. Diese Chance habe Scholz verpasst.

Grünen-Chef Omid Nouripour forderte den Kanzler auf, möglichst schnell eine Entscheidung zu treffen. “Es ist halt ein schmaler Grat zwischen Bündnispartnerschaft und Solidarität auf der einen Seite und einem deutschen Sonderweg auf der anderen Seite.” Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bezeichnete Scholz’ Kommunikation in der Panzer-Frage gar als “Katastrophe”.

Lesen Sie dazu auch: Warum Deutschland Leopard-Panzer an die Ukraine liefern sollte (Meinung)

US-Politiker befürworten “Abrams”-Lieferung an Ukraine

In den Vereinigten Staaten drängen führende Politiker die US-Regierung, Kampfpanzer des Typs “M1 Abrams” an die Ukraine zu liefern. Schon ein einziger davon würde ausreichen, um etwa Deutschland dazu zu bewegen, ebenfalls Kampfpanzer zu schicken, meinte der Republikaner Michael McCaul, der den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses innehat. Allein schon die Ankündigung einer solchen Lieferung würde ausreichen.

M1 Abrams-Panzer der US-Armee

“M1 Abrams”-Panzer der US-Armee: bald auch in der Ukraine? (Archivfoto)

Der demokratische Senator Chris Coons sagte, sollte es erforderlich sein, einige “Abrams” zu schicken, damit Deutschland, Polen oder andere Verbündete “Leopard”-Panzer liefern, würde er das unterstützen. Er respektiere zwar, dass die US-Militärführung meine, “Abrams” seien anspruchsvoller und teurer als “Leopard”-Panzer. Die USA müssten aber weiter mit ihren engen Verbündeten zusammenarbeiten und im Gleichschritt vorwärts gehen.

Norwegens Generalstabschef zieht erschreckende Bilanz

Im Ukraine-Krieg sind nach norwegischen Schätzungen bisher fast 180.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Auf ukrainischer Seite seien vermutlich mehr als 100.000 Soldaten tot oder verwundet, sagte Generalstabschef Eirik Kristoffersen in einem Interview mit dem Sender TV2. Zudem seien bislang 30.000 ukrainische Zivilisten getötet worden. Die Grundlage der genannten Zahlen erläuterte der General nicht. Trotz schwerer Verluste sei Russland in der Lage, diesen Krieg “ziemlich lange fortzusetzen”, meinte Kristoffersen. Dabei verwies er insbesondere auf Moskaus Mobilisierungs- und Waffenproduktionskapazitäten.

Ukraine Krieg Gräber bei Charkiw

Geschmückt mit ukrainischen Flaggen: Gräber bei Charkiw (2022)

Verteidigungsministerium in Kiew bestreitet Korruption

Das ukrainische Verteidigungsministerium hat Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Beschaffung von Lebensmitteln für das Militär zurückgewiesen. Die Verpflegung für die Soldaten sei gemäß “dem gesetzlich festgelegten Verfahren” gekauft worden, erklärte das Ministerium in Kiew. Anderslautende Medienberichte seien “falsch”. Es werde eine Untersuchung eingeleitet wegen der Verbreitung dieser “irreführenden” Informationen, die den “Verteidigungsinteressen” der Ukraine schadeten.

Am Wochenende war das Verteidigungsministerium beschuldigt worden, bei der Beschaffung von Lebensmitteln einen Vertrag zu Preisen abgeschlossen zu haben, die zwei- bis dreimal höher lagen als die üblichen Einkaufspreise. Der betreffende Vertrag hat laut der Nachrichtenwebsite “zn.ua” ein Volumen von umgerechnet 325 Millionen Euro.

Ein Korruptionsskandal erschütterte auch das ukrainische Ministerium für die Entwicklung von Gemeinden, Gebieten und Infrastruktur. Aufgrund der Ermittlungen sei Vizeminister Wassyl Losynskyj entlassen worden, bestätigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Die ukrainische Antikorruptionsbehörde (Nabu) hatte am Samstag mitgeteilt, dass Losynskyj verdächtigt werde, 400.000 Dollar erhalten zu haben, “um den Abschluss von Verträgen zum Kauf von Ausrüstung und Generatoren zu überhöhten Preisen zu erleichtern”. Die Ukraine hat wegen der russischen Angriffe auf ihre Energieinfrastruktur seit Monaten mit flächendeckenden Stromausfällen zu kämpfen.

Ukraine | Wassyl Losynskyj

Wurde festgenommen und entlassen: Vizeminister Wassyl Losynskyj

Selenskyj kündigt Initiative gegen Korruption an

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein entschlosseneres Vorgehen gegen Fehlverhalten im Staatsapparat angekündigt. “Der Staat wird die notwendigen mächtigen Schritte ergreifen”, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. “Ich möchte, dass dies klar ist: Es wird keine Rückkehr zu dem geben, was in der Vergangenheit war, zu der Art und Weise, wie verschiedene Personen, die den staatlichen Institutionen nahestehen, oder diejenigen, die ihr ganzes Leben damit verbracht haben, einem Amtsstuhl hinterherzujagen, gelebt haben”, betonte der Staatschef.

“Ich bin den Journalisten dankbar, die sich mit den Fakten beschäftigen und das ganze Bild erstellen”, sagte Selenskyj mit Blick auf jüngste Enthüllungen. Das Hauptaugenmerk liege zwar auf der Verteidigung des Landes im Krieg gegen Russland. Trotzdem sei ihm bewusst, dass in der Gesellschaft auch über Korruption gesprochen werde. Um der Gerechtigkeit willen müsse gehandelt werden.

wa/gri (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.