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Erneut Proteste gegen “Agenten-Gesetz” in Tiflis

Wie schon am Vortag ging die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstrierenden vor, die sich rund um das Parlament in Tiflis versammelt hatten. Laut Beobachtern hatten sich zunächst bis zum frühen Mittwochabend zwischen 10.000 und 15.000 Menschen friedlich am Parlament eingefunden. Die Protestierenden schwenkten georgische und ukrainische Fahnen sowie die blaue Sternenflagge der EU. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sangen sie auch die ukrainische Hymne.

Später versuchten einzelne Demonstrierende in das Parlamentsgebäude einzudringen, die Polizei drängte sie zurück, unter anderem mit Wasserwerfern und Tränengas, und forderte sie auf, die Gegend vor dem Parlament zu räumen. Die Protestierenden wiederum warfen mit Steinen und Flaschen. Laut der Zeitung “Georgia Today” gab es erneut mehrere Festnahmen.

Proteste vor dem georgischen Parlament in Tiflis: Menschen schwenken Fahnen von Georgien, der Ukraine und er EU

Die Protestierenden vor dem Parlament in Tiflis bringen eindeutig ihre pro-europäische Einstellung zum Ausdruck

Ähnlichkeiten mit russischem “Agenten-Gesetz”

Ausgangspunkt der Proteste ist ein geplantes Gesetz zu “ausländischen Agenten”. Der am Dienstag in erster Lesung vom Parlament gebilligte Gesetzentwurf sieht vor, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als sogenannte “ausländische Agenten” registrieren lassen müssen. Anderenfalls drohen ihnen Strafen. Die Vorlage erinnert an ein Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden warund das der Kreml seither nutzt, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Kritiker vorzugehen.

Protestierende in der georgischen Hauptstadt Tiflis haben mit Müllereimern und Parkbänken eine Straßenbarrikade errichtet

Die Demonstrierenden in Tiflis errichteten Barrikaden und blockierten Straßen

Bei den Protesten, zu denen die Opposition und zivilgesellschaftliche Gruppen aufgerufen hatten, blockierten Demonstrierende auch die Hauptverkehrsstraße von Tiflis. Sie forderten die Regierung auf, den Gesetzentwurf fallen zu lassen und riefen Parolen wie “Nein zum russischen Gesetz”.

Chef von Regierungspartei spricht von “radikalen Kräften”

Bereits am Dienstag war bei Protesten vor dem georgischen Parlament zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, Dutzende Menschen wurden festgenommen. Die Behörden warfen den Demonstrierenden Gewalt vor, mehrere Polizisten seien verletzt worden.

Der Chef der Regierungspartei Georgischer Traum, Irakli Kobachidse, bezeichnete die Protestierenden als “radikale Kräfte” und zog eine Parallele mit den pro-europäischen Protesten auf dem Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew im Jahr 2014. In deren Folge habe die Ukraine “20 Prozent ihres Gebiets” verloren, verwies Kobachidse auf die Annexion der Krim durch Moskau im Jahr 2014 und den russischen Angriffskrieg ab Februar 2022.

Einsatzpolizisten mit Plastikschilden und Helmen haben vor gepanzerten blauen Polizeifahrzeugen Aufstellung genommen

Mit einem großen Polizeiaufgebot versucht die Regierung die Proteste niederzuschlagen

Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili stellte sich hinter die Protestierenden. Während eines Besuchs in New York kündigte sie ihr Veto gegen das Gesetz an. Die Regierungspartei Georgischer Traum kann sich darüber jedoch mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament hinwegsetzen.

US-Regierung warnt Tifilis

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, warnte Georgiens Regierung vor einer Umsetzung des Gesetzesvorhaben. Der “vom Kreml inspirierte” Gesetzentwurf sei “nicht mit dem klaren Wunsch der georgischen Bevölkerung nach europäischer Integration und demokratischer Entwicklung vereinbar”, sagte Price in Washington. Eine Durchsetzung der Pläne würde das Verhältnis Georgiens zu seinen strategischen Partnern schädigen und die “euro-atlantische Zukunft” des Landes infrage stellen.

Menschen in Tiflis protestieren gegen ein Gesetz gegen den Einfluss sogenannter ausländischer Agenten

Laut Umfragen sollen 80 Prozent der Bevölkerung Georgiens einen EU-Beitritt unterstützen

Die kleine ehemalige Sowjetrepublik Georgien strebt laut Verfassung denBeitritt zu EU und NATO an. Umfragen zufolge wird dies von mindestens 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Im vergangenen Jahr hatte die Südkaukasus-Republik gemeinsam mit der Ukraine und Moldau einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung von Premierminister Irakli Garibaschwili Spekulationen, das Land könne sich Russland zuwenden.

Selenskyj solidarisierte sich mit den Protestierenden

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj solidarisierte sich am Mittwoch mit den Protestierenden. In seiner allabendlichen Video-Ansprache an das ukrainische Volk sagte Selenskyj: “Es gibt keinen Ukrainer, der dem mit uns befreundeten Georgien keinen Erfolg wünschen würde. Demokratischen Erfolg. Europäischen Erfolg”. Alle “freien Nationen Europas” hätten es verdient, Teil der EU werden.

ww/mak (dpa, afp)