Eigentlich war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Gratulant bei der Feier für die Deutsche Welle (DW) erwartet worden – am selben Tag fand allerdings der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt statt. Und so hob der Kanzler in einer Videobotschaft die Bedeutung der Deutschen Welle für freie Berichterstattung weltweit hervor.
In seinem Grußwort sagte Scholz, der Bund stehe zu seiner finanziellen Verantwortung für die Berichterstattung der Deutschen Welle. Auch in diesem Jahr sei der Zuschuss noch einmal gestiegen auf 408 Millionen Euro. Dazu kämen noch Gelder für besondere Projekte. Zugleich dankte Scholz dem Sender für seine Tätigkeit: „Wenn wir heute 70 Jahre Deutsche Welle feiern, dann feiern wir auch 70 Jahre, in denen sich Ihr Sender um die Demokratie verdient gemacht hat“, sagte der Kanzler.
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70 Jahre DW: Der Weg zur internationalen Informationsanbieterin
1953: Sendestart der DW
Am 3. Mai 1953 ist die DW erstmals im Äther zu vernehmen. Mit einer Ansprache von Bundespräsident Theodor Heuss beginnt das dreistündige Kurzwellen-Programm. Heuss richtet sich zum Sendestart an „geehrte und liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im fernen Lande“. Die DW soll das neue, demokratische Deutschland vermitteln und die Wiederaufnahme in die internationale Staatengemeinschaft medial begleiten.
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1957: Start der Sprachkurse
„Lernt Deutsch bei der Deutschen Welle.“ So heißt es ab Oktober in vier Sendesprachen. Auftakt für die erfolgreiche Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache über Hörfunk, später auch Fernsehen und Social Media. Seit 2005 ist die Förderung der deutschen Sprache Teil des Programmauftrags. Online richtet die DW ein interaktives „Klassenzimmer“ ein. Sehr beliebt: Die Video-Novela „Nicos Weg“ (2019).
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1962: Start des spanischen und portugiesischen Hörfunkprogramms
Seit Juli 1962 zählen Spanisch für Lateinamerika und Portugiesisch für Brasilien zum Fremdsprachenangebot. Das Radioprogramm für Lateinamerika startet in den Jahren der Stroessner-Diktatur in Paraguay und in der Anfangszeit der Castro-Diktatur auf Kuba. Während der Militärdiktatur in Brasilien (1964 – 1985) wird die DW zu einem wichtigen unabhängigen Sprachrohr auf dem Kontinent.
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1963: Start von Kiswahili und Haussa für Afrika
Die Unabhängigkeitswelle der 1960er Jahre bringt auch Neuerungen für die Sprachredaktionen der DW. Nachdem zunächst auf Englisch und dann Französisch berichtet wird, erschließt sich die DW im Jahr 1963 neue Zielgruppen: Mit Kisuaheli und Haussa berichtet die DW erstmals in afrikanischen Sprachen. Das Bild zeigt die Kisuaheli-Redaktion im Jahr 1963.
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1968: Geburtsstunde des Krisenradios
Truppen des Warschauer Paktes machen dem „Prager Frühling“ in der Tschechoslowakei im August 1968 ein Ende. Die DW reagiert auf die politische Krise mit deutlichem Programmausbau in den osteuropäischen Sendesprachen – das „DW-Krisenradio“ ist geboren. In ihrer Geschichte reagiert die DW auf einschneidende Ereignisse immer wieder mit Programmerweiterungen, um ihre Zielgruppen zu informieren.
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1999: Suchdienst während des Kosovokrieges
Während des Kosovokriegs bietet DW Albanisch einen Suchdienst an, um die vom Krieg Betroffenen bei der Suche nach Familienangehörigen zu unterstützen. Von April bis Oktober kontaktieren über 800.000 Personen die Redaktion. Der Service der DW ist, wie eine damalige Erhebung zeigt, sehr erfolgreich: Sie verzeichnet damit mehr Ergebnisse als das Internationale Roten Kreuz.
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2000: Gründung der Ukrainisch-Redaktion
Im März startet DW Ukrainisch als Radioprogramm auf der Kurzwelle. Die Turbulenzen rund um die „Orange Revolution“ in der Ukraine zeigt, dass sich das Land nach Europa richtet. Infolge der Maidan-Proteste und der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland 2014 wird das Programmangebot ausgebaut, insbesondere das Online-Angebot sowie Social Media.
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70 Jahre DW: Der Weg zur internationalen Informationsanbieterin
2001: Sturz der Taliban in Afghanistan
Als 2001 die Taliban-Regierung gestürzt wird, setzen sich DW und DW Akademie mit einem Fernsehangebot und Trainingsprogrammen für den Wiederaufbau ein. Als die Taliban im Jahr 2021 erneut an die Macht kommen, reagiert die DW rasch mit einem Evakuierungsprogramm sowie der Wiedereinführung der Kurzwelle. Das Foto zeigt die Produktion des Programms „DW Aashti“, das in Dari und Paschtu gesendet wird.
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70 Jahre DW: Der Weg zur internationalen Informationsanbieterin
Ab 2010: Arabischer Frühling
Über die sozialen Medien erreicht die DW junge Zielgruppen vor Ort und tauscht sich mit den Nutzenden aus. In den journalistischen Angeboten der DW kommen zahlreiche Demokratie-Aktivist*innen zu Wort, unter anderem aus Ägypten, Syrien und Tunesien. Darunter ist auch die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman, die erste arabische Frau, die mit diesem Preis ausgezeichnet wurde.
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70 Jahre DW: Der Weg zur internationalen Informationsanbieterin
2017: Online-Plattform InfoMigrants
InfoMigrants bietet Informationen für Migrant*innen und Geflüchtete – inzwischen in sechs Sprachen: Englisch, Arabisch, Französisch, Dari, Pashto und Bengali. Für das EU-Projekt kooperiert die DW mit FMM und ANSA. Es stellt unabhängige, verlässliche Informationen für jene zur Verfügung, die darüber nachdenken, ihr Land zu verlassen, die auf dem Weg nach Europa oder schon angekommen sind.
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2019: Berichterstattung von DW Bengalisch zur Flüchtlingssituation auf der Balkanroute
2019 nutzen viele Migrant*innen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie Bangladesch und Indien die Balkanroute. Sie sind Erpressung und Demütigungen bis hin zu Folter ausgesetzt. DW Bengalisch berichtet von der bosnisch-kroatischen Grenze über die Geflüchteten aus Südasien, die in den Nachrichten kaum vorkommen. In Bangladesch lösen die Berichte breite Diskussionen aus.
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70 Jahre DW: Der Weg zur internationalen Informationsanbieterin
2021: Die DW in 32 Sprachen
Mit dem Neustart von DW Ungarisch nimmt die DW eine Region in den Blick, in der unabhängige Medien zunehmend unter Druck geraten. Das Angebot richtet sich an eine junge Zielgruppe. Auch das Angebot von DW Tamil richtet sich an junge Menschen, vor allem Frauen, und konzentriert sich auf die Bereiche Technik, Gesundheit und Umwelt. Das beliebte Format EcoIndia wird nun auch in Tamil angeboten.
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2022: Ukrainekrieg – Sendeverbot für die DW in Russland und Umzug nach Riga
Die DW berichtet nun nicht mehr aus Moskau, sondern aus einem neuen Studio in der lettischen Hauptstadt Riga. Das russische und ukrainische Angebot wird ausgebaut: Ab März 2023 wird die russische Nachrichtensendung DW Novosti täglich produziert. Im 2021 eingerichteten Kiew Hub arbeiten rund 20 journalistische Ortskräfte. Hinzu kommen Korrespondent*innen von DW News sowie Cutter und Kameraleute.
„Deutsche Welle unentbehrlich“
Für Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, steht die DW „nicht nur für das freie Wort – sie ist das freie Wort im Gespräch der deutschen Demokratie mit der Welt“. Ihre Sendungen setzten Debatten über Themen in Gang, die vor Ort in den Zielregionen aus politischen oder religiösen Gründen tabuisiert seien. Angesichts der bedrohlich wachsenden Gefahren für die Meinungs- und Pressefreiheit und die freie Information, „ist die Deutsche Welle unentbehrlich“, sagte die Grünen-Politikerin Roth.
Die Deutsche Welle als Auslandssender soll – in Konkurrenz mit vielen anderen internationalen Sendern und Angeboten – für eine mediale Präsenz Deutschlands in der Welt sorgen und das Verständnis für Deutschland fördern.
Deutsche Welle will laut Intendant Limbourg Fokus auf Afrika legen
Laut Intendant Peter Limbourg plant die Deutsche Welle derzeit den Aufbau einer Mediathek. „Daran arbeiten wir jetzt, dass wir das in den nächsten ein, zwei Jahren starten können.“ Man werde dort mehrere Sprachen anbieten, dazu zählten Arabisch, Englisch, Spanisch und Russisch. Limbourg sprach von einem Heimathafen für die eigenen Videoangebote, die auf Youtube, Instagram und anderen Formaten zu finden seien.
In der Sendung „Eco Afrika“ wirft die DW einen Blick auf die Umweltthemen des Kontinents
Vor allem Afrika hat der Intendant im Fokus. „Ich glaube, dass noch viel Potenzial für uns in Afrika mit afrikanischen Regionalsprachen ist“, sagte Limbourg der Deutschen Presse-Agentur. Auch aus dem Grunde, „weil in diesen Regionen russische Propaganda und chinesische Staatspropaganda sehr aktiv sind und wir unsere Aufgabe auch darin sehen, dem mit faktenbasiertem Journalismus entgegenzuwirken“.
Arbeitsverbot für die DW in Russland
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg sagte Limbourg: „Die Gefahr ist immer in solchen Situationen, dass man sich zu sehr auf Europa zentriert.“ Man habe das eigene Engagement extrem verstärkt im Russischen, Ukrainischen, auf dem Westbalkan und in der Cyberabwehr. „Aber wir dürfen die anderen Weltregionen nicht vergessen.“
Das DW-Büro in Moskau wurde geschlossen
In Russland kann die Deutsche Welle seit Februar 2022 nicht arbeiten, weil die Akkreditierungen entzogen worden waren. Das Büro in Moskau wurde geschlossen. Aus der lettischen Hauptstadt Riga wird die Arbeit fortgesetzt.
Protest gegen Sparpläne der Deutschen Welle
Während die Arbeit der DW im Ausland von manchen Regierungen behindert wird, gibt es im Inland gerade eine ganz andere Debatte um den deutschen Auslandssender.
Vor dem Festakt protestierten Beschäftigte und Gewerkschaften gegen den durch geplante Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen angekündigten Personalabbau bei der DW. Rund 250 Teilnehmende machten darauf mit einem Fahrradkorso vom Berliner Standort des deutschen Auslandssenders zum Brandenburger Tor aufmerksam. Die Personalräte hatten zudem ihre Teilnahme an dem Festakt im Bundestag abgesagt.
Im März hatte Intendant Peter Limbourg angekündigt, die aus dem Bundeshaushalt finanzierte Deutsche Welle wolle bis 2024 vorsorglich Einsparungen in Höhe von 20 Millionen Euro vornehmen. Unter anderem sollen rund 100 Vollzeitstellen eingespart werden. Die Gewerkschaften sehen die Existenzgrundlage von bis zu 300 Mitarbeitenden gefährdet.
Vor dem Protest zum Festakt in Berlin wurde bereits am Standort Bonn gegen die Kürzungen protestiert
Medienstaatsministerin Roth sagte am Abend beim Festakt im Bundestag, sie wisse, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebe es Sorgen, dass der journalistische Standard des deutschen Auslandssenders angesichts angekündigter Einsparungen gefährdet sein könnte. „Wir, die Bundesregierung, werden unseren Teil dazu beitragen, dass die finanzielle Situation der Deutschen Welle eine gute Grundlage für eine erfolgreiche journalistische Arbeit darstellt“, versicherte Roth. Bislang ist noch nicht klar, wann die Mittel im Haushalt für das nächste Jahr feststehen.
cw/uh/qu (dpa, kna, DW)