Das Wichtigste in Kürze:
- Habeck: Gazprom und Putin entscheiden “nach eigener Willkür”
- Selenskyj spricht von offenem Gas-Krieg
- EU-Energieminister beraten über Gas-Notfallplan
- Moskau stellt Ukraine neue Bedingungen
Der russische Energiekonzern Gazprom wird laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck “nach eigener Willkür” entscheiden, ob er den Erdgasfluss komplett stoppen wird. Die Reduzierung der Liefermengen sei “keine Überraschung”, sagte der deutsche Vizekanzler in den ARD-“Tagesthemen”. Es sei jedoch ärgerlich, “dass Gazprom immer wieder andere Gründe vorschiebt”. Habeck sprach von “Farce-Geschichten über diese Turbine”. Gazprom habe “nicht mal den Mumm zu sagen, wir sind in einer wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung mit euch”.
Es gebe keine technischen Gründe für die Lieferkürzungen, sagte Habeck mit Blick auf die in Kanada gewartete Siemens-Turbine für die Gas-Pipeline Nord Stream 1. “Die Turbine steht zur Auslieferung an Russland bereit.” Die Ausfuhrdokumente von Siemens Energy lägen vollständig vor, aber Russland verweigere die Ausstellung der Einfuhrdokumente. “Russland bricht Verträge und gibt anderen die Schuld.”

Für die EU eine entscheidende Frage: Wann macht Russland den Gashahn ganz zu?
Erneut rief der Grünen-Politiker dazu auf, den Gasverbrauch zu reduzieren. “Wir werden nicht Gas im Überfluss haben.” Ob die Mengen reichten, sei davon abhängig, “wie kollektiv dieses Land dafür arbeitet, dass es möglich wird”. Die Maßnahmen müssten konsequent weiter umgesetzt werden.
Der Deutschen Presse-Agentur sagte Habeck, der russische Präsident Wladimir Putin treibe bei der Gaslieferung ein “perfides Spiel”. Seine Strategie sei durchsichtig. “Er versucht, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Dafür schürt er Unsicherheit und treibt die Preise. Dem setzen wir Geschlossenheit und konzentriertes Handeln entgegen.”

Für die Menschen in Kostjantyniwka/Region Donzek ist angesichts der Zerstörung das europäische Gasproblem weit weg
Russland dreht den Gashahn weiter zu
Der russische Staatskonzern Gazprom hatte zuvor angekündigt, die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 ab Mittwoch, dem 27. Juli, noch stärker einzuschränken. Eine weitere Turbine müsse wegen Wartung außer Betrieb gesetzt werden. Die Gaslieferungen würden damit auf 33 Millionen Kubikmeter pro Tag von mehr als 160 Millionen Kubikmeter bei voller Kapazität verringert. Das entspräche nur noch gut 20 Prozent.
Selenskyi spricht von offenem Gas-Krieg
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte Europa nach der Ankündigung von Gazprom zu weiteren Sanktionen gegen Moskau auf. “Dies ist ein offener Gas-Krieg, den Russland gegen ein geeintes Europa führt”, erklärte er in einer Videobotschaft. Russland warf Selenskyj vor, den Europäern die Vorbereitung auf den Winter so schwer wie möglich machen zu wollen. Der russischen Führung sei “egal, was mit den Menschen passiert, wie sie leiden werden, unter dem Hunger durch die Blockade der Häfen oder durch die Winterkälte und Armut. Oder durch die Besatzung.” Dies seien “nur andere Formen des Terrors”.

Wolodymyr Selenskyj spricht von einem russischen Gas-Krieg und Terror
Der Generalstab in Kiew meldete, die russischen Einheiten hätten beim Kohlekraftwerk Wuhlehirsk im Gebiet Donezk Kampferfolge erzielt. Am benachbarten Frontabschnitt seien Angriffe in Richtung der Städte Bachmut und Siwersk abgewehrt worden. Im Charkiwer Gebiet seien russische Attacken ebenso gescheitert. Mehrere Dutzend Orte seien vor allem in den Gebieten Charkiw und Donezk mit Artillerie beschossen oder von der Luftwaffe bombardiert worden, hieß es. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.
EU berät über Gas-Notfallplan
Die Energieminister der EU-Staaten beraten an diesem Dienstag über den umstrittenen Gas-Notfallplan der Kommission zur Versorgungssicherung in diesem Winter. Auf Vorschlag der EU-Kommission sollen alle Mitgliedsländer bis Ende März jeweils 15 Prozent an Gas einsparen, um Lieferrückgänge aus Russland auszugleichen. Notfalls will die EU-Kommission die Länder zu Einsparungen zwingen.Dass im Notfall ein verpflichtendes Sparziel vorgeben werden soll, ist vor allem bei Südländern wie Italien, Spanien, Portugal und Griechenland auf Widerstand gestoßen. Einige Länder sehen die EU-Pläne vor allem als Absicherung für Deutschland, das stark von russischem Gas abhängig ist. Die Nachrichtenagentur dpa meldet, ein Notfallplan sei beschlussreif. Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission seien allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen.
Moskau stellt der Ukraine neue Bedingungen
Russland hat der Ukraine im Fall einer Wiederaufnahme von Friedensgesprächen härtere Bedingungen als zuvor in Aussicht gestellt. Bei den Verhandlungen im März in der Türkei seien konkrete Resultate erzielt worden, ehe Kiew den Kontakt abgebrochen habe, klagte Juri Uschakow, ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin, der Nachrichtenagentur RBK zufolge. “Wenn jetzt also die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, dann zu völlig anderen Bedingungen”, betonte Uschakow.
qu/wa (dpa, afp, rtr, ARD)
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