Das Wichtigste in Kürze:
- Evakuierungaktion im Azov-Stahlwerk von Mariupol
- Russland greift Flughafen der Hafenstadt Odessa an
- Kanzler Scholz verteidigt seine Ukraine-Politik
- Oppositionsführer Merz bereitet Kiew-Reise vor
- Hollywood-Star Jolie trifft Flüchtlinge in Westukraine
Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in Mariupol sind nach russischen Berichten 25 Zivilisten in Sicherheit gebracht worden. Unter den Geretteten seien sechs Kinder, meldeten die Agenturen Tass und Ria Nowosti. Der Vizekommandeur des ukrainischen Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, sprach später von 20 Frauen und Kindern, die das Werksgelände verlassen hätten.
Ukrainischen Angaben zufolge sollen in den Bunkeranlagen des Stahlwerks insgesamt rund 1000 Zivilisten Zuflucht gesucht haben. Russland wiederum spricht von rund 2500 ukrainischen Kämpfern und ausländischen Söldnern, die sich dort ebenfalls verschanzt haben sollen. Diese lehnen eine Kapitulation und eine Aufgabe der strategisch wichtigen Stadt am Asowschen Meer, die zum Großteil bereits von russischen Truppen eingenommen ist, bisher ab.
Kiew und Moskau hatten sich zuletzt unter Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres bereiterklärt, einen humanitären Korridor für Zivilisten auf dem Werksgelände einzurichten. Größere Evakuierungserfolge gab es bislang aber nicht.
Mehr als neun Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs gilt die Lage der im Azovstal-Werk eingeschlossenen Menschen als katastrophal. Neue Satellitenfotos des US-Unternehmens Maxar Technologies zeigen, dass inzwischen nahezu sämtliche Gebäude des Komplexes zerstört sind. Dächer sind eingestürzt, von einigen Gebäuden sind nur noch Schutthaufen übrig.
Russland nimmt Odessas Flughafen ins Visier
Bei einem russischen Raketenangriff ist nach ukrainischen Angaben die Start- und Landebahn des Flughafens der Hafenstadt Odessa zerstört worden. Die Russen hätten die südukrainische Metropole von der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim aus angegriffen, teilte der Gouverneur des Gebiets Odessa, Maxym Martschenko, im Nachrichtendienst Telegram mit. Zum Einsatz seien dabei Raketen des Küstenverteidigungssystems “Bastion” gekommen. Verletzte habe es keine gegeben.

Attackiert: Odessa International Airport (Archiv)
Der Bürgermeister von Odessa, Gennadey Trukhanov, erklärte, es habe zehn Jahre gedauert, die neue Start- und Landebahn zu planen und zu bauen. Sie sei erst im vergangenen Juli feierlich in Betrieb genommen worden und sollte Touristen aus aller Welt in die Hafenstadt bringen. “Aber Odessa ist keine Stadt, die vor Schwierigkeiten kapituliert. Nach unserem Sieg werden wir die Landebahn auf jeden Fall wiederherstellen und noch mehr Touristen werden zu uns kommen.”
“Besser für Sie, in Russland zu überleben”
Russland sammelt nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj “zusätzliche Kräfte” für Angriffe im Osten der Ukraine. Zugleich appellierte er in seiner jüngsten Videoansprache an das russische Militär: “Jeder russische Soldat kann immer noch sein Leben retten. Es ist besser für Sie, in Russland zu überleben, als in unserem Land zu sterben.”
Seit Beginn des Kriegs seien schon 23.000 russische Soldaten in der Ukraine gefallen, berichtete Selenskyj. Außerdem seien bereits mehr als Tausend russische Panzer sowie fast 2500 andere Militärfahrzeuge zerstört worden. Die tatsächlichen militärischen Verluste sind schwer abzuschätzen. Moskau gesteht bislang mehr als Tausend eigene Gefallene ein und beziffert seinerseits die Zahl der gefallenen ukrainischen Kämpfer auf ebenfalls etwa 23.000.

Zerstört: Russische Panzer am Stadtrand von Kiew
Kiew bestätigt Austausch von Gefangenen
Bei einem erneuten Gefangenenaustausch mit Russland sind nach Angaben aus Kiew 14 Ukrainer freigekommen. Es handele sich um sieben Zivilisten und sieben Soldaten, erklärte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Zur Anzahl der im Gegenzug freigelassenen Russen äußerte sie sich nicht. Laut Wereschtschuk sollen sich insgesamt rund 1000 ukrainische Zivilisten und etwa 700 Militärangehörige in russischer Gefangenschaft befinden. Die Ukraine habe ihrerseits ebenfalls rund 700 russische Soldaten als Kriegsgefangene genommen.
Antonow verletzt schwedischen Luftraum
Ein russisches Aufklärungsflugzeug ist unerlaubt in den schwedischen Luftraum eingedrungen. Die Propellermaschine habe sich zunächst östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm befunden und sei dann Richtung schwedisches Territorium geflogen, teilte Schwedens Militär mit. Südlich von Blekinge habe die Antonow An-30 für kurze Zeit den schwedischen Luftraum verletzt, ehe sie das Gebiet wieder verlassen habe. Schwedische Kampfjets hätten den Vorfall verfolgt und das Flugzeug fotografiert.

Zu Sowjetzeiten entwickelt: Antonow An-30 (Archiv)
Das Verteidigungsministerium in Stockholm verurteilte den Vorfall als “vollkommen inakzeptabel”. Vor allem angesichts der “generellen Sicherheitslage” sei die Luftraumverletzung “sehr unangemessen”. “Die Souveränität Schwedens muss stets respektiert werden”, betonte Verteidigungsminister Peter Hultqvist. Schweden werde auf diplomatischem Wege Protest einlegen.
Johnson und Blinken sagen weitere Hilfen zu
Der britische Premierminister Boris Johnson hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seine Unterstützung versichert. Der Premier sei mehr denn je bestrebt, der Ukraine unter die Arme zu greifen, sagte ein Sprecher Johnsons nach einem Telefonat der beiden Politiker. Johnson wolle weitere zusätzliche militärische Hilfe leisten, damit die Ukraine sich selbst verteidigen könne. Johnson habe dem Land auch zusätzliche wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung angeboten.

Solidarisch: Boris Johnson in London
US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte ebenfalls die weitere “robuste Unterstützung” Washingtons für die Ukraine. In einem Gespräch informierte er seinen ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba außerdem über die Rückkehr von US-Diplomaten nach Lwiw in der kommenden Woche und baldmöglichst auch nach Kiew.
“Deutsche Alleingänge sind mir suspekt”
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Kritik an seiner Ukraine-Politik zurückgewiesen. “Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt”, sagte Scholz der Zeitung “Bild am Sonntag”. Der Kanzler war wegen seines zurückhaltenden Kurses zuletzt immer mehr unter Druck geraten. Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz hatte Scholz “Zaudern” und “Ängstlichkeit” vorgeworfen – insbesondere beim Thema Waffenlieferungen.

Olaf Scholz – ängstlich oder nicht ängstlich?
“Ich bin nicht ängstlich genug, um mich von solchen Vorwürfen beeindrucken zu lassen”, betonte Scholz nun. Harsche Kritik an seinen Entscheidungen sei jedoch legitim: “In einer Demokratie gehört es dazu, dass man von der Opposition robust angegangen wird. Dafür ist sie da.”
Merz kündigt Reise nach Kiew an
Im Gegensatz zu Kanzler Scholz will Oppositionsführer Merz zeitnah in die ukrainische Hauptstadt Kiew reisen – laut Medienberichten schon am Montag. Die deutschen Christdemokraten verbreiteten auf Twitter eine Nachricht von Merz’ Stabschef Jacob Schrot, in der dieser ohne Nennung eines Datums schrieb: “In der Tat ist eine Reise von Friedrich Merz in die Ukraine geplant.” Merz wolle signalisieren, dass die Ukraine in ihrem Freiheitskampf nicht allein stehe, sondern Deutschland an ihrer Seite habe.
Jolie stattet Lwiw Überraschungsbesuch ab
Inmitten des russischen Angriffskriegs ist die Hollywood-Schauspielerin und UNHCR-Sonderbotschafterin Angelina Jolie in die Westukraine gereist, um dort geflüchtete Menschen zu treffen. Jolie habe unter anderem in einem Krankenhaus Kinder besucht, die vor rund drei Wochen bei einem Raketenangriff auf den Bahnhof im ostukrainischen Kramatorsk verletzt wurden, teilte die Verwaltung des Gebiets Lwiw mit.

Unerwartet: Angelina Jolie (r.) im westukrainischen Lwiw
Fotos zeigen, wie die 46-Jährige Kinder in den Arm nimmt und Selfies mit medizinischem Personal macht. “Für uns alle war der Besuch unerwartet”, sagte Gouverneur Maxym Kosyzkyj. Viele Menschen hätten ihren Augen nicht getraut. In einem Video war außerdem zu sehen, wie Jolie während eines Luftalarms in einen Luftschutzkeller eilt.
wa/rb (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.