Armeniens angeschlagener Ministerpräsident Nikol Paschinjan hat sich zum Sieger der vorgezogenen Parlamentswahl erklärt. Die Wähler hätten ihm und seiner Partei Bürgervertrag den Regierungsauftrag erteilt, sagte der 46-Jährige in der Nacht zum Montag vor Anhängern in der Hauptstadt Eriwan. Paschinjan sprach von einem “überzeugenden Sieg”. Nach den “heftigen Prüfungen” der jüngsten Vergangenheit sei nunmehr die Zeit der “gesellschaftlichen und nationalen Einheit” gekommen.
Nach Auszählung der Stimmen aus mehr als zwei Dritteln aller Wahllokale liegt seine Partei nach Angaben der Zentralen Wahlkommission bei 58 Prozent der Stimmen. Der oppositionelle Block Armenien um den früheren Präsidenten Robert Kotscharjan kommt auf etwa 19 Prozent. Die Wahlkommission erklärte weiter, die Wahlen seien “weitgehend” im Einklang mit dem Gesetz abgelaufen.
Opposition spricht von Wahlfälschung
Das jedoch wird von dem 66-jährigen Kotscharjan bestritten. Es gebe “hunderte Hinweise” aus den Wahllokalen, die auf “organisierte und geplante Fälschungen” hindeuteten, erklärte das Bündnis des früheren Präsidenten. Man werde das Wahlergebnis nicht anerkennen, bis diese “Verstöße” überprüft worden seien.

Ex-Präsident Robert Kotscharjan will mit seinem Bündnis Armenien das Ergebnis nicht anerkennen
Ein Erfolg von Paschinjan gilt aus Moskauer Sicht als Garant dafür, dass das unter Russlands Vermittlung zwischen Armenien und Aserbaidschan geschlossene Waffenstillstandsabkommen um die Konfliktregion Berg-Karabach hält. Die Vereinbarung war nach einem 44-tägigen Krieg am 9. November in Kraft getreten. Sie beinhaltet auch die Stationierung von 2000 russischen Friedenssoldaten. Bei den Kämpfen waren auf beiden Seiten mehr als 6500 Menschen getötet worden. Armenien hatte dabei die Kontrolle über weite Teile von Berg-Karabach verloren. Das benachbarte Aserbaidschan hingegen feierte sich nach der Rückeroberung der Gebiete als Sieger.
Paschinjan hatte die vorgezogene Parlamentswahl unter dem Druck anhaltender Proteste der Opposition und des Militärs angesetzt. Sie machten den Regierungschef persönlich für die militärische Niederlage, die Gebietsverluste und die vielen Toten verantwortlich. Der frühere Journalist lehnte einen Rücktritt jedoch mehrfach ab und erklärte, er wolle das Land selbst aus der Krise führen.

Das Gebäude der Zentralen Wahlkommission in Eriwan
Bei der Abstimmung waren 21 Parteien und vier Blöcke angetreten – so viele wie nie zuvor. Die meisten verfehlten nach Zwischenergebnissen die Fünf-Prozent-Hürde für Parteien und die Sieben-Prozent-Hürde für Blöcke zum Einzug ins Parlament deutlich. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 50 Prozent.
Die Abstimmung wurde von Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachtet. Sie wollen ihr Urteil an diesem Montag abgeben.
se/ack (ap, dpa, afp, rtr)